Wie „machen“ Kinder und Lehrkräfte den Unterrichtsanfang während der Corona-Pandemie? (Anonym)

Diese Arbeit ist aus Gründen des Datenschutzes anonym veröffentlicht.

Inhalt

  • Einleitung
  • Dichte Beschreibung und analytische Dimensionierung
    • Die Situation
    • Dichte Beschreibung eines Unterrichtsbeginns einer ersten Schulstunde
    • Analytische Dimensionierung: Die Perspektive der „Kinder Akteur*innen“
  • Fazit
  • Literaturverzeichnis

Einleitung

„Sich mit dem schulischen Alltag aus der Perspektive von Kindern zu beschäftigen, bedeutet, den sozialen Prozessen in der Schulklasse eine größere Bedeutung bei zu messen“ (Heinzel, 2012, S.179). In dieser Arbeit soll anhand einer ethnographischen Analyse eines Unterrichtsbeginns einer ersten Stunde während des Wechselunterrichts in der Coronapandemie die Perspektive des Kindes als Akteur*in der Situation und dessen Interaktion innerhalb seiner Peergroup sowie mit der Lehrkraft genauer betrachtet werden. Es handelt sich um eine alltägliche Übergangssituation, die aktuell stark durch geltende Coronaschutzmaßnahmen geprägt ist. Obwohl es in der Forschung umstritten ist, ob es einem als Erwachsenen gelingt die Perspektive der Kinder überhaupt angemessen zu rekonstruieren (vgl. ebd. S.180, angelehnt an Honig, 1999; Hülst 2000), soll es in dieser Arbeit versucht werden.

Heinzel stellt heraus, dass die Aufmerksamkeit der Kinder im „Spannungsverhältnis zwischen der kommunikativ-generalisierten Unterrichtsordnung und der durch viele verschiedenen Dimensionen anders gekennzeichneten Peerkultur“ steht (Heinzel, 2012, S.178). Wagner-Willi bedient sich zur Beschreibung der Perspektiven einer Theatermetaphorik, der Vorder- und Hinterbühne (vgl. Wagner-Willi, 2018, S.58ff.). Das Klassenzimmer kann hiernach als Vorderbühne dienen, wenn die Lehrkraft im Raum ist und die Unterrichtsordnung im Vordergrund steht, gleichzeitig kann im Klassenzimmer eine Hinterbühne entstehen, wenn die Lehrkraft abwesend ist oder peerkulturelle Rituale entstehen (vgl. ebd.).

Dem Beginn des Unterrichts geht meist ein rituelles Signal als Auslöser für einen „Szenenwechsel“ voraus (Wagner-Willi, 2001, S.60), denn Unterricht beginnt nicht direkt nach Eintreten der formalen Kriterien, dem Beginn der Unterrichtszeit oder dem Eintritt in den Klassenraum, sondern muss zudem durch soziale Interaktionen handlungspraktisch hergestellt werden (vgl. Wolf, 2020, S.9; Wagner-Willi, 2018, S.59). Diese Übergangsphase vom Ankommen in der Schule hin zur Herstellung der Unterrichtsbereitschaft nennt Wagner- Willi nach Victor Turner „Schwellenphase“ (vgl. Göhlich/Wagner-Willi, 2001, S.120). In dieser Schwellenphase treffen die peerkulturell geprägten Handlungen und Normen der Schüler*innen auf der Hinterbühne auf die schulischen Unterrichtsanforderungen der Vorderbühne, und es entsteht ein „Durcheinander“, in dem weder die Regeln der Peergroup noch die des Unterrichts vollständig gelten (vgl. Wagner-Willi, 2018, S.59). In der Schwellenphase lassen sich Praktiken erkennen, die der Herstellung der Unterrichtsbereitschaft dienen. Von Seiten der Schüler*innen ist dies beispielsweise das Einnehmen des eigenen Sitzplatzes (vgl. Rabenstein/Rehe, 2010, S.71). Eine Praktik der Lehrkräfte ist es, sich vor die Tafel zu stellen und den Blick auf die Schüler*innen zu richten (vgl. Wagner-Willi, 2018, S.60; Göhlich/Wagner-Willi, 2001, S.144ff.). Häufig dienen Rituale oder ritualisierte Handlungen als Unterstützung um die unterrichtliche Ordnung herzustellen. Hierrunter versteht man wiederkehrende, interaktive Handlungsmuster, die die unterrichtliche Ordnung hervorbringen und festigen (vgl. Göhlich/Wagner-Willi, 2010, S.120).

Dichte Beschreibung und analytische Dimensionierung

Die Situation

Die Beobachtung findet in einer jahrgangsübergreifenden Schuleingangsklasse statt, in der Kinder der ersten und zweiten Jahrgangsstufe gemeinsam unterrichtet werden. Aktuell findet Wechselunterricht statt, weshalb die Klasse gemäß der Jahrgangsstufen in zwei Lerngruppen geteilt ist. Die Lerngruppen werden tageweise abwechselnd in der Schule oder Zuhause unterrichtet. Zum Zeitpunkt der Beobachtung beginnt der Schultag der Erstklässler*innen in ihrem Klassenraum, der am Vortag von den Zweitklässler*innen der Klasse genutzt wurde. Zum Beobachten sitze ich hinten rechts in der Ecke des Klassenraumes an dem freien Tisch eines Zweitklässlers. Die Tür und das Waschbecken sind vorne in der rechten Ecke, die Fensterfront ist an der linken Seite des Raumes. Vorne befindet sich die Haupttafel und hinten gibt es eine weitere Tafel, an der der Tagesplan hängt. Die Tische stehen nach vorne ausgerichtet in Reihen, sowie je eine Reihe entlang der linken und rechten Wand. Es sitzen Erst- und Zweitklässler*in abwechselnd, so dass immer ein Platz zwischen den Kindern einer Lerngruppe frei bleibt. Die Klassentür ist geöffnet und alle Fenster sind gekippt. Obwohl gelüftet wird, ist es so warm im Klassenraum, dass ich keine Jacke benötige. Alle Personen tragen aufgrund der Coronaschutzregeln eine Maske. Die dichte Beschreibung der Beobachtung betrachtet die Handhygiene beim Eintritt in den Klassenraum und die ersten Minuten bis zum Beginn der Tagesplanvorstellung.

Dichte Beschreibung eines Unterrichtsbeginns einer ersten Schulstunde

  • Zuerst betritt die Lehrkraft den Raum, nimmt den Desinfektionsmittelspender von einem kleinen Tisch nahe der Tür und dreht sich zu den Kindern. Diese stehen in einer Zweierreihe auf dem Gang vor der Tür. Die ersten beiden Kinder bleiben im Türrahmen stehen und strecken ihre Hände zu einer Schüssel geformt nach vorne. Die Lehrkraft gibt jedem Kind einen Pumpstoß Desinfektionsmittel auf die entgegengestreckten Hände. Ein Großteil der Kinder geht händereibend und untereinander unterhaltend oder stillschweigend weiter zu den eigenen Plätzen. Manche Kinder wischen ihre Hände nur kurz aneinander oder schütteln sie nachdem sie an der Lehrkraft vorbei gegangen sind, statt das Desinfektionsmittel länger zu verreiben. Janosch und Ben1 biegen, als sie in der Tür stehen, zum Waschbecken neben der Tür ab. Anstatt zu desinfizieren, waschen sie nacheinander ihre Hände und gehen auch zu ihren Plätzen, während sie sich miteinander unterhalten. Die Klasse wirkt entspannt und es werden keine Fragen zum Ablauf an die Lehrkraft gerichtet. Jedes Kind nimmt zuerst seinen Stuhl vom Tisch und stellt seinen Ranzen neben oder hinter den eigenen Stuhl. Ein paar Kinder ziehen ihre Jacken aus und hängen sie über ihren oder den benachbarten leeren Stuhl. Drei lassen sie auf den Boden neben den Ranzen fallen. Viele Kinder stellen die Stühle der Sitznachbarn herunter, die heute im Distanzunterricht sind. Es herrscht ein allgemeines Gemurmel in der Klasse. Ich kann die einzelnen Gespräche nicht verstehen. Nachdem alle Kinder eingetreten sind schließt die Lehrkraft die Klassenzimmertür, geht vor die Tafel und sagt mit schweifendem Blick durch die Klasse: „So, dann zieht mal bitte alle eure Jacken aus“. Die meisten Kinder sitzen auf ihren Stühlen. Ein paar stehen neben oder vor ihren Stühlen und lehnen sich auf den Tisch. Ein Kind setzt sich schnell auf den eigenen Platz, als die Lehrkraft beginnt zu sprechen. Fast alle verbleibenden Kinder in einer Jacke, ziehen diese jetzt aus. Die Gespräche der Kinder untereinander werden weniger. Janosch, der in der ersten Reihe zwischen seinem Tisch und Stuhl steht, ruft mit Blick auf die Tafel: „Warum sind da so Zahlenhäuser?“ und zeigt auf die bunten Zahlenhäuser an der Tafel. Die Lehrkraft antwortet, dass diese die Zweitklässler*innen gestern gemacht hätten, die hätten nämlich auch Zahlenhäuser. Die meisten Kinder unterhalten sich nun nicht mehr, sondern schauen ruhig zur Lehrkraft. Die Lehrkraft blickt durch die Klasse und sagt „Ich wünsche euch einen guten Morgen!“. Alle Kinder schauen nach vorn, stellen ihre Gespräche ein und antworten leicht versetzt gemeinsam: „Guten Morgen alle zusammen“. Anschließend geht die Lehrkraft auf die andere Seite der Klasse, an welcher der Tagesplan hängt. Die Blicke der meisten Kinder folgen ihr. Olaf und Lisa reden kurz leise miteinander und schauen sich dabei gegenseitig an. Die Lehrkraft schaut auf die laminierten Karten des Tagesplans und anschließend in die Klasse. Das Gespräch der Kinder endet. Die Lehrkraft fragt: „Wer kann uns denn sagen, welcher Tag heute ist?“ Fünf Kinder melden sich.

Analytische Dimensionierung: Die Perspektive der „Kinder Akteur*innen“

In der folgenden Analyse soll der Blick auf das Handeln und die möglichen Motive der Akteur*innen in der Situation mit dem Schwerpunkt auf die Kinder als Akteur*innen gerichtet werden. Die Verwendung und Rolle, der Tür, des Sitzplatzes, der Stühle und Jacken, als Requisiten auf der Bühne des Klassenzimmers werden genauer betrachtet und mit den Erkenntnissen von Göhlich und Wagner-Willi verglichen (vgl. Göhlich/Wagner-Willi, 2001, S.128ff.). Allgemein steht der Szenenwechsel von der Hinter- zur Vorderbühne im Zentrum der Analyse.

Die beschriebene Situation befindet sich in der Schwellenphase zwischen dem Treffen der Schüler*innen auf dem Schulhof und dem Beginn des Unterrichts. Die Beobachtung beginnt mit dem Eintritt der Lehrkraft in den Klassenraum. Die Lehrkraft betritt zuerst den Klassenraum und macht ihn damit zur Vorderbühne, mit dem Ziel die unterrichtliche Ordnung herzustellen (vgl. Wagner-Willi, 2018, S.58). Hierbei wird die „Tür als Schwelle und Grenze“(Göhlich/Wagner-Willi, 2001, S.128) zwischen dem Gang und dem Klassenraum zu einem „rituellen Signal“ (Wagner-Willi, 2018, S.60), welches einen „Szenenwechsel“ (ebd.) ankündigt. Die Schüler*innen reagieren darauf, indem sie erste Praktiken zum Wechsel auf die von der Lehrkraft eröffneten Vorderbühne zur Herstellung der Unterrichtsbereitschaft durchführen, ohne dass die Lehrkraft diese explizit mündlich einfordert. Die Lehrkraft beginnt das Eintrittsritual der Schüler*innen, indem sie den Desinfektionsmittelspender in die Hand nimmt und sich mit diesem den Schüler*innen in der Tür zuwendet und verteilt. Hier findet die erste aktive Interaktion zwischen den Schüler*innen und der Lehrkraft statt. Die Situation an der Tür unterscheidet sich von den Beobachtungen von Göhlich und Wagner-Wille, denn die Türschwelle als Grenze wird durch die zum Coronaschutz vorgeschriebene Handhygiene und vorgegebene Abtrennung jeder Lerngruppe in der Schule wesentlich deutlicher markiert und eine Zutrittsvoraussetzung in Form der Handdesinfektion oder -wäsche geschaffen (vgl. Zeile 1-12 und Göhlich/Wagner-Willi, 2001, S.128ff.). Der Ablauf der Handhygiene wirkt wie ein Ritual, ist jedoch auf eine vom Bundesland vorgeschriebenen Regel zurückzuführen, demnach ist die Definition als Ritual umstritten (vgl. Rabenstein/Rehe, 2010, S.72). Das Durchschreiten der Tür löst seitens der Schüler*innen eine Abfolge von Handlungen aus.

Die meisten Kinder zeigen ein schulaffirmatives Verhalten, indem sie ihre Hände waschen oder das Desinfektionsmittel gründlich verreiben (vgl. Zeile 4-7) und anschließend ihre Unterrichtsbereitschaft herstellen, indem sie ihren „Arbeitsplatz“ an ihrem zugeteilten markierten Sitzplatz vorbereiten. Sie nehmen die Stühle von den Tischen herunter, um diese nutzen zu können, stellen ihren Ranzen in der Reichweite von ihrem Stuhl ab, ziehen ihre Jacken aus und hängen sie an ihren rituellen Platz. Dies ist der eigene Stuhl oder der freie des*der abwesenden Sitznachbar*in (vgl. Zeile 13-18; vgl. Göhlich/Wagner-Willi, 2001, S.156f., S. 161f. S.173f.). Mit diesem Verhalten zeigen die Schüler*innen, dass sie sich länger im Klassenraum aufhalten werden und signalisieren mit ihrem Arbeitsplatz und ihrer Kleidung eine hergestellte Unterrichtsbereitschaft (vgl. ebd. S.173f.). Janosch und Ben nutzen zudem ihre Partizipationsmöglichkeit, die ihnen die Lehrkraft auf der Vorderbühne gewährt, indem sie sich für das Händewaschen entscheiden und weichen dadurch gemeinsam als Peer von dem Verhalten der Klasse ab (vgl. Zeile 9-11).

In Zeile 7-9 wird eine bestehende Hinterbühne außerhalb des Sichtfeldes der Lehrkraft sichtbar, auf der manche Schüler*innen bewusst die geforderte Handhygiene unzureichend ausführen, indem sie das Desinfektionsmittel nicht ausreichend verreiben oder sogar abschütteln. Ob es sich um ein peerkulturelles Verhalten (vgl. Wagner-Willi, 2018, S.61) handelt, lässt sich nicht nachvollziehen, denn bestehende Blickkontakte zu Peers oder die genaue Zugehörigkeit einer Peergroup wurde nicht ausreichend beobachtet.

Die Gespräche zwischen den Schüler*innen, welches auch als Gemurmel beschrieben wird, zeigt den Charakter der Schwellenphase, denn „das Ordnungssystem Unterricht hat noch keine Oberhand“ (Göhlich/Wagner-Willi, 2001, S. 196). Gleichzeitig lässt sich aber „das Aktivitätssystem der Peergroup […] nicht ungebrochen fortsetzen“ (ebd.). Es entsteht das in der Einleitung beschriebene „Durcheinander“ (Wagner-Willi, 2018, S.59) während des Wechsels zwischen der Vorder- und Hinterbühne. Die Schüler*innen setzen ihre Gespräche mit ihren Peers von der Hinterbühne fort, während sie gleichzeitig ihre Bereitschaft für das Handeln auf der Vorderbühne vorbereiten. Die Trennung zwischen der Vorder- und Hinterbühne im Klassenraum wirkt unklar (vgl. Zeile 1-18).

Die Lehrkraft scheint ein zweites „rituelle[s] Signal“ (Wagner-Willi, 2018, S.60) zu setzen, indem sie die Tür schließt und ihre Position und Aufmerksamkeit von der Tür, vor die Tafel verlagert, den Schüler*innen zugewandt. Die Vorderbühne dehnt sich vom Türbereich auf den Klassenraum aus (vgl. Zeile 19-24). Die Schüler*innen reagieren auf die Ansprache und Aufmerksamkeit der Lehrkraft, indem sie die Gespräche mit ihren Peers teilweise einstellen und ihre von der Lehrkraft zugeschriebenen Sitzplätze einnehmen (vgl. Zeile 22f). Der Tafelbereich wird zur „Bühne institutioneller Autorität“ (Göhlich/Wagner-Willi, 2001, S.152) der Lehrkraft. Die Anweisung der Lehrkraft die Jacken auszuziehen zeigt, wie sie versucht die unterrichtliche Ordnung weiter herzustellen. Die Reaktion der Schüler*innen betont gleichzeitig ihre Weisungsbefugnis gegenüber der Schüler*innen. Das Anbehalten der Jacken von einzelnen Schüler*innen und erst verzögerte Ausziehen nach der Aufforderung durch die Lehrkraft deuten Göhlich und Wagner-Willi als „unterrichtsoppositionelles Ritual“ (ebd. S.176.), welches der Verzögerung des Unterrichtsbeginns dienen soll (vgl. Zeile 23f; und ebd.).

Janoschs Frage (vgl. Zeile 26) kann ebenfalls als Unterrichtsverzögerung gedeutet werden, zeigt aber auch, wie er seine Aufmerksamkeit von seiner Peergroup auf den Unterrichtsbeginn richtet, dabei aber noch nicht alle unterrichtlichen Normen der Vorderbühne erfüllt. Er richtet seine Frage an die Lehrkraft, die im Unterricht die erste Ansprechperson für Nachfragen ist, hält sich dabei allerdings nicht an die Regel sich zuvor zu melden. Die Lehrkraft beachtet diesen Regelverstoß nicht, sondern antwortet. Dies zeigt, dass für sie die Schwellenphase wahrscheinlich auch nicht als abgeschlossen gilt und somit noch nicht alle Regeln eingefordert werden. Janoschs Frage nach den Zahlenhäusern kann aus der„Unterrichtsperspektive“ (Heinzel, 2012, S.179) einerseits seine Neugierde auf den bevorstehenden Unterrichtsinhalt zeigen, andererseits aus der „Peerperspektive“ (ebd.) ein Interesse an den unterrichtlichen Aktivitäten der Schüler*innen seiner Peergroup aus der anderen Lerngruppe darstellen.

Die Begrüßung der Lehrkraft ist durch „Ich wünsche euch […]“ (Zeile 30) direkt an die Schüler*innengruppe gerichtet, kann jedoch universell für jede Gruppe vertrauter Personen verwendet werden. Die weitestgehend parallele Antwort der Schüler*innen hat eine doppelte Wirkung. „Guten Morgen alle zusammen“ (Zeile 32) antwortet sowohl der Lehrkraft und begrüßt gleichzeitig auch alle anderen Klassenmitglieder. Diese ritualisierte Formulierung der Begrüßung kann von der Lehrkraft der Herstellung der Unterrichtsgemeinschaft dienen (vgl. Göhlich/Wagner-Willi, 2001, S. 120), denn die Schüler*innen haben vermutlich ihre Peers in den Privatgesprächen zuvor begrüßt. Erst nach dem gemeinsamen Begrüßungsritual (vgl. Zeilen 30-32) scheint die Schwellenphase und das „Ordnungssystem Unterricht“ (Göhlich/Wagner-Willi, 2001, S.196) von den Schüler*innen akzeptiert zu sein, denn alle Schüler*innen richten ihre Aufmerksamkeit auf die Lehrkraft, reden nicht mehr mit ihren Peers, antworten gemeinsam auf ihre Begrüßung und folgen ruhig ihrem Gang durch die Klasse zu dem Tagesplan.

Während die Lehrkraft die Klasse durchquert, wechseln Olaf und Lisa nochmal kurz auf die Hinterbühne und folgen aus der Peerperspektive dem Drang sich nochmal außerunterrichtlich auszutauschen (vgl. Zeile 34-36 und Heinzel, 2012, S.179). Für Olaf und Lisa scheint die Schwellenphase nach der Begrüßung noch nicht abgeschlossen zu sein. Vermutlich reagieren sie darauf, dass die Lehrkraft die unterrichtliche Bühne vor der Tafel wechselt und währenddessen den Gang zwischen den Tischen nutzt, der nicht klar der Funktion des Unterrichtens zugeordnet ist (vgl. Göhlich/Wagner-Willi, 2001, S.144ff.). Olaf und Lisa kehren auf die Vorderbühne zurück, nachdem die Lehrkraft wieder vor einer Tafel steht und das Ritual der Tagesvorstellung weiterführt (vgl. Zeile 36).

Fazit

In der Analyse wird das in der Einleitung beschriebene „Durcheinander“ (Wagner-Willi, 2018, S.59) in der Schwellenphase deutlich, denn die Handlungen der Akteur*innen beziehen sich teilweise gleichzeitig sowohl auf die Vorder- als auch auf die Hinterbühne. Göhlich und Wagner-Willi beschreiben die Schwellenphase als „durch Strukturschwäche charakterisiert“ (Göhlich/Wagner-Willi, 2001, S.196). Jedoch werden in der Analyse einige Rituale und ritualisierte Signale identifiziert, die die Frage aufwerfen, ob die Schwellenphase nicht einer eigenen Struktur zwischen der Vorder- und Hinterbühne unterliegt, nach dessen festen Normen die Schüler*innen und die Lehrkraft sich richten. Um dieser Vermutung nachzugehen sind jedoch weitere ethnographische Beobachtungen notwendig.

Das Verhalten der Schüler*innen und der Lehrkraft zu Unterrichtsbeginn ist stark von den zum Beobachtungszeitpunkt geltenden Coronaschutzmaßnahmen vorgegeben. Diesbezüglich wäre es interessant einen Vergleich ohne diese Maßnahmen mit der gesamten Klasse zu haben.

In der Analyse wird die Annahme bestätigt, dass der Unterrichtsbeginn erst handlungspraktisch erzeugt werden muss (vgl. Wolf, 2020, S.9). Außerdem wird anhand der Interpretation der Kinder als Akteur*innen sichtbar, dass dieser Beginn von den Schüler*innen zu unterschiedlichen Zeitpunkten innerhalb der Schwellenphase praktiziert wird. Die Schwellenphase wird abschließend von allen als beendet wahrgenommen, als die Lehrkraft nach den Tag fragt und somit den Unterricht dieser Stunde beginnt.

Rückblickend auf die gesamte Arbeit bleibt die Frage offen, die auch Forscher kritisieren, ob es mir als Erwachsenem hier gelingen kann die Perspektive der Kinder überhaupt angemessen zu rekonstruieren (vgl. Heinzel, 2012, S.180, angelehnt an Honig, 1999; Hülst 2000). Die Deutung des unterrichtsverzögernden Verhaltens einiger Kinder durch das Anbehalten der Jacken unterstellt den Schüler*innen ein absichtliches Verhalten (vgl. 2.3.). Dieses fällt mir jedoch nur auf, wenn ich zuerst aus einer Erwachsenenperspektive die Situation als problematisch identifiziere und dann nach möglichen Absichten der Kinder suche und ihnen diese dann begründet aus einer „Kinderperspektive“ unterstelle. Außer Betracht gelassen wird hierbei beispielsweise, dass es viele weitere Ursachen für das Verhalten geben kann, wie z.B. die Möglichkeit, dass der*die Erstklässler*in unbeabsichtigt vergessen hat die Jacke auszuziehen, oder es ihm*ihr kalt war. An diesem kurzen Beispiel wird deutlich, dass in der Analyse die Gefahr besteht Absichten zu pauschalisieren, die man aus einzelnen Beobachtungen schließt ohne die Möglichkeit zu haben, sie überprüfen zu können. Zusätzlich erschwert wird es dadurch, dass man als Erwachsener die Perspektive der Kinder auf den Unterricht nur hypothetisch einnehmen kann, dabei aber sehr wahrscheinlich zusätzlich die eigene Perspektive als Erwachsener mit einfließen lässt. Bereits mit der Beschreibung der Beobachtung ist die Situation einmal von mir als Erwachsenem interpretiert worden. Dieses Dilemma ist allerdings der verwendeten Methode geschuldet und könnte mittels einer Video- oder Tonaufnahme etwas abgeschwächt werden. Die Aufnahmen würden jedoch neue Verfälschungen zu Beginn der Beobachtung erzeugen (vgl. Schelle, 2018, S. 86).

Literaturverzeichnis

  • Göhlich, M.; Wagner-Willi, M. (2001): Rituelle Übergänge im Schulalltag – Zwischen Peergroup und Unterrichtsgemeinschaft. In Wulf, C. (Hrsg.): Das Soziale als Ritual – Zur performativen Bildung von Gemeinschaften (S. 118 -204). Opladen: Leske + Budrich.
  • Heinzel, F. (2012): Der Blick auf Kinder. In H. de Boer & S. Reh (Hrsg.): Beobachtungen in der Schule – Beobachten lernen (S. 173-188). Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften.
  • Rabenstein, K.; Rehe, S. (2010): Unterricht als Interaktion: Unterrichtsanfänge und das Setting der Institution und die Ordnung des Unterrichts. In Schelle, C.; Rabenstein, K.; Rehe, S.: Unterricht als Interaktion – Ein Fallbuch für die Lehrerbildung (S.71-98). Bad Heilbrunn: Verlag Julius Klinkhardt.
  • Schelle, C. (2018): Unterricht anfangen. In M. Proske & K. Rabenstein (Hrsg.): Kompendium Qualitative Unterrichtsforschung: Unterricht beobachten – beschreiben – rekonstruieren (S. 85-102). Bad Heilbrunn: Verlag Julius Klinkhardt.
  • Wagner-Willi, M. (2018): Rituelle Praktiken auf den schulischen Vorder- und Hinterbühnen. In J. Brühlmann & D. Conversano (Hrsg.): Rituale an Schulen: wirksam und unterschätzt (S. 58-63). Zürich: LCH.
  • Wolf, E. (2020): Unterrichtsbeginn – Zur Entzauberung des Anfangs. In: falltiefen – Beiträge aus der kasuistischen Lehrerbildung am Institut für Erziehungswissenschaft, 06/2020, (S. 7- 15). Hannover: Institut für Erziehungswissenschaft der Leibniz Universität Hannover.

SchülerInnenhandeln bei der Herstellung von Unterrichtsordnung (Anonym)

Diese Arbeit ist aus Gründen des Datenschutzes anonym veröffentlicht.

Inhalt 

  1. Einführung
  2. Dichte Beschreibung
  3. Analytische Dimensionierung
  4. Fazit
  5. Literaturverzeichnis

1. Einführung

„Durch Beobachtungen (im Unterricht) (…) wurde deutlich, wie Kinder in ihrer Aufmerksamkeit hin- und herpendeln: zwischen den Regieanweisungen der Lehrerin und den Inszenierungsvorschlägen der Gleichaltrigen, zwischen den von der Lehrerin für wichtig erachteten Themen und den leerkulturellen Themen.“ (Heinzel 2012: 178)

In einer dezidierten Untersuchung der kindlichen Perspektive auf Schulunterricht macht Friederike Heinzel sichtbar, wie Kinder innerhalb von Unterrichtsszenarien unterschiedliche und stellenweise antagonistische soziale Systeme balancieren müssen – einerseits als SchülerIn die durch Schule an sie formulierten Anforderungen, d.h. Unterricht konstituierende Rituale und Aufgaben, andererseits ihre Teilhabe an Peerkultur, d.h. an den sozialen Mechanismen und Umgangsformen zwischen Gleichaltrigen (vgl. auch 2004: 114-125).

Mithilfe der Methoden ethnografischer Forschung, in deren Blick die Untersuchung von Unterricht zunehmend geraten ist, können die von SuS[1] im Rahmen solcher Balanceakte bewusst und unbewusst verwendeten Strategien sichtbar gemacht werden, indem sie dezidiert verfremdet beobachtet werden (vgl. Wiesemann 2011: 1-2).[2] Als vielversprechend erweist sich in diesem Zusammenhang die Beobachtung der liminalen Phasen einer Unterrichtseinheit als Phasen der sukzessiven Ablösung eines sozialen Systems (Kommunikation in der Peergruppe, prägend im Rahmen von Pausenphasen) durch ein anderes (Kommunikation innerhalb der Richtlinien von Unterrichtsordnung) und den dabei für SuS erforderlichen Strukturierungsleistungen (vgl. Zizek 2015: 322; Schelle 2018: 90-93).

In der folgenden ethnografischen Untersuchung werde ich analysieren, welche Gestalt kindliche Strategien zum Umgang mit den sozialen Anforderungen von Unterricht in einer solchen Liminalphase annehmen können. Dabei konzentriere ich mich vornehmlich auf die an Kinder in ihrer Position als SchülerIn gestellten Anforderungen, da dies innerhalb des begrenzten Rahmens dieser Arbeit einen schärferen Analysefokus erlaubt.

Grundlage meiner Untersuchung ist die von mir im Rahmen meines Praxissemesters durchgeführte Beobachtung und davon ausgehende dichte Beschreibung. Erstere habe ich am 12.11.2020 zu Beginn der dritten Schulstunde nach der Hofpause (10:10 Uhr bis 10:21 Uhr) in einer zweiten Schulklasse sowie an einer mittelgroßen Grundschule im Sauerland durchgeführt. An der Schule wird ausschließlich jahrgangshomogener Frontalunterricht praktiziert, mithilfe der von Peschel formulierten Kategorien lässt sich die Lernkultur auf Stufe 0, „Organisatorische Öffnung als Vorstufe“, ansiedeln (vgl. 2010: 97). Aufgrund der im Rahmen der Corona-Pandemie verordneten Schutzbestimmungen sitzen SuS zu zweit auf festgelegten Plätzen an frontal ausgerichteten Tischen, die in einem Abstand von etwa einem Meter stehen.

Im Anschluss an die unten formulierte dichte Beschreibung der beobachteten Situation werde ich im Sinne des oben formulierten Untersuchungsschwerpunktes innerhalb einer analytischen Dimensionierung die sichtbaren Strategien von SuS im Umgang mit der Herstellung von Unterrichtsordnung nachzeichnen. Abschließend werde ich in einem Fazit die Ergebnisse dieser Untersuchung zusammenfassen und mögliche hiervon ausgehende Forschungsperspektiven aufzeigen.

2. Dichte Beschreibung

Die Klasse kehrt unter angeregten Gesprächen aus der Hofpause in das Klassenzimmer zurück. Einige laufen, andere kommen eher gemütlich und in konversierenden Grüppchen. In der Klasse angekommen, fangen viele SuS an, ihre Jacken auszuziehen und an Kleiderhaken nahe der Eingangstür aufzuhängen, andere setzen sich wiederum mit ihrer Jacke an den Platz und kramen in ihren Frühstücksboxen.

Frau Iser, die im Klassenraum weilende Lehrerin, welche die zurückkehrende Klasse nach der Hofpause zur dritten Unterrichtsstunde erwartet, ist sichtbar in Eintragungen an ihrem Schreibtisch vertieft und nimmt so scheinbar zunächst keine Notiz von den zurückkehrenden SuS. Erst, als die Lautstärke in dem Klassenzimmer anschwillt, erhebt sie sich mit versteinerter Miene von ihrem Platz. Sie stellt sich an die Wand, verschränkt die Arme und schaut ausdruckslos in die mittlerweile volle Klasse, die weitestgehend in Gespräche mit SitznachbarInnen vertieft ist, indem sich SuS an diesen beteiligen oder die Köpfe in Richtung eines solchen Gespräches wenden.

Einige Schülerinnen in der vorderen Reihe haben währenddessen ihren Platz aufgeräumt, indem sie ihre Frühstücksboxen in der Tasche sowie ihre Jacken an den Kleiderhaken verstaut haben, und schauen nun erwartungsvoll zu Frau Iser. Auf einem so vorbereiteten Platz befindet sich nur das Mäppchen, das von den meisten SuS bereits geöffnet wurde. Diese SuS nehmen den Ärger der Lehrerin wahr, eine von ihnen dreht sich zur Klasse und ruft gut vernehmlich „Seid leise!“ durch die Klasse, einige andere der Schülerinnen drehen sich hierauf ebenfalls nach hinten. Daraufhin heben sich die Augenbrauen von Frau Iser, sie beantwortet den Ausruf der Schülerin, indem sie, umso lauter, „Nein, Lena! Dreht ihr euch bitte nach vorne?“ dazwischen ruft, woraufhin die Schülerinnen gehorchen und eingeschüchtert den Kopf senken. Dies scheinen auch andere SuS gehört zu haben, denn nachdem eine Schülerin aus den hinteren Reihen das Leisezeichen – den ausgestreckten Daumen, der andere SuS zum Beenden von Gesprächen animieren soll – signalisiert, folgen andere SuS ihrem Beispiel. Während die Klasse zunehmend leiser wird, indem nach und nach die einzelnen Gesprächsgrüppchen ihre Aufmerksamkeit nach vorn richten und verstummen, richten die SuS einen entschuldigenden, schuldbewussten Blick auf die Lehrerin Iser, die einzelne SuS abwechselnd durchdringend taxiert.

Als es fast völlig still ist, was etwa 2 Minuten dauert, fängt an einem hinteren Tisch erneutes gut hörbares Gemurmel an. Frau Iser wendet ihren Blick daraufhin beleidigt von der Klasse, was einige SuS mit einem enttäuschten Seufzen kommentieren. Erst nachdem sich diese SuS durch Blicke und Zischgeräusche mit den hinteren Tischen verständigen, um die Lautstärke zu senken, wird es so leise, dass sich Frau Iser wieder zur Klasse wendet und zu sprechen beginnt. Ihre Stimme ist dabei zwar langsam und leise, jedoch voller kalter Wut: „Es sind jetzt 10 Minuten vergangen. Es kann ja wohl nicht sein, dass ich jedes Mal so lange warten muss, bis ihr ruhig werdet. Eigentlich wollte ich mit euch ein Spiel machen, aber dazu haben wir jetzt keine Zeit mehr.“ SuS in den vorderen Reihen bringen ihre neue Enttäuschung durch Stöhnen und kleinen Ausrufen zum Ausdruck, besonders gegenüber denjenigen SuS, die sie als Urheber des Gemurmels ausmachen, was sich in Aussagen wie „Oah, Naomi!“ ausdrückt.

3. Analytische Dimensionierung

In der folgenden analytischen Dimensionierung kann nun aufgezeigt werden, wie Kinder als SchülerInnen mit den sozialen Anforderungen der zuvor illustrierten Situation umgehen. Dabei begreife ich Kinder mit Heinzel als „kompetente Akteure […], die ihre Lebenswelten aktiv gestalten und an ihrer Entwicklung und Sozialisation selbst mitwirken“ (2012: 174), die „in ihren Kontexten immer sinnvoll handeln“ (ebd. 185), die also nachvollziehbare Gründe für das hier gezeigte Verhalten besitzen und mit diesem auch auf die systemischen Rahmenbedingungen von Schule reagieren. In einer solchen Analyse soll vor allem die Perspektive der SuS auf Unterricht nachvollzogen werden (vgl. ebd. 177-182).

Zunächst markiert werden kann die der liminalen Situation immanente Ritualhaftigkeit, die nach Wagner-Willi zur „Herstellung von Unterrichtsbereitschaft“ (2018: 60) dient und die beim Übertritt der SuS über die Türschwelle in den Klassenraum eine bestimmte Handlungsfolge diktiert: Jacke ausziehen, Tisch aufräumen, hinsetzen, aufmerksam sein und schweigen. Indem SuS etwa wie beschrieben unaufgefordert ihren Blick wartend nach vorn richten, zeigen sie, dass sie das Handlungsmuster kennen und sich weiterhin diesem unterordnen. Inwiefern Kinder jedoch auch hier durchaus typische Peerkommunikation (vgl. Heinzel 2012: 179) und damit im Sinne der Herstellung von Unterrichtsordnung von diesem Ritual abweichendes Verhalten zeigen, ist möglicherweise mit Blick auf das ebenfalls abweichende Verhalten der zunächst unaufmerksamen und nicht instruierenden Lehrkraft erklärbar. Für die gerade aus der durch peerkulturelle Aktivitäten geprägten Pause ankommenden SuS mag es die Lehrkraft sein, die von dem ihnen bekannten Ritual und ihrer Rolle im Frontalunterricht abweicht und ihnen so einen Aufschub vor der Teilnahme an Unterrichtsordnung gewährt.

In der Aufforderung „Seid leise!“, mit der sich Lena an ihre MitschülerInnen richtet, wird genau wie in dem durch SuS angestoßenen „Leisezeichen“ oder den Zischgeräuschen gegenüber den Murmelnden in den hinteren Reihen wiederum die Einordnung der hier aktiven SuS in die hier ausgeübte Unterrichtsordnung sichtbar. Lena etwa begreift, dass Frau Iser sich hier in ihrer Funktion als Lehrkraft als Einzige zur Rede autorisiert begreift. In Lenas Versuch, dem im Ärger der Lehrkraft sichtbaren Wunsch nach Schweigen und Aufmerksamkeit aller SuS nachzukommen und eine diesem Wunsch entsprechende Umgebung herzustellen, erkenne ich eine Strategie, die die Sanktionen durch die dazu berechtigte Lehrkraft vermeiden soll. Eine solche Sanktion gebraucht Frau Iser am Ende der Beschreibung (Vorenthalten einer Belohnung), daher mag Lena und anderen SuS diese Funktionsweise bekannt sein. Auch den durch die Lehrkraft verordneten „Warteauftrag“, in dem den SuS jede Handlung verboten ist, kann man aus Sicht der SuS als Sanktion begreifen. Im Durchbrechen des Redeverbotes durch Gemurmel sowie den konsekutiven Rufe der Enttäuschung, als die Lehrkraft  eine Verlängerung des Verbotes signalisiert, wird sichtbar, wie unangenehm den SuS dieser Auftrag ist. Indem Lena und Co. ihre MitschülerInnen zur Teilnahme am Ritual auffordern, möchten sie meiner Meinung nach durch die Herstellung von Konformität ein schnelles Ende des wohl als quälend empfundenen Zustandes absoluter Passivität herbeiführen, während sie diesen gleichzeitig auf „erlaubte“ Weise unterlaufen.[3]

Neben Passivität demonstrieren SuS den Anforderungen der hier gezeigten Unterrichtsordnung sowie den Erwartungen der Lehrkraft entsprechend zusätzlich an verschiedenen Stellen performative Unterwürfigkeit. Als Lena und ihre Sitznachbarinnen infolge ihres Ordnungsversuches gerügt werden, ist ihre Reaktion, den Kopf zu senken, für mich einerseits aus ihrer Enttäuschung erklärbar, immerhin war Handeln gegen die Unterrichtsordnung – wie oben gezeigt – vermutlich nicht ihre Absicht, andererseits scheint es die gerade generierte Unterrichtsordnung zu verlangen, dass sich SuS auf diese Weise erneut demonstrativ unterordnen und die Lehrkraft so ihrer Regelkonformität versichern. In gleicher Weise markieren von der Lehrerin taxierte SuS ihre bisherige Beschäftigung in einer Art sichtbarem Schuldeingeständnis selbst als Fehlverhalten.

4. Fazit

In dieser Arbeit gezeigt worden ist, wie Kinder begriffen in ihrer Rolle als SuS in einer spezifischen schulischen Situation auf die Anforderungen der in einer Liminalphase ritualhaft hergestellten Unterrichtsordnung reagieren und dabei die ihnen gewährten Freiräume nutzen. In Anbetracht der Grundlage einer singulären Beobachtung und Beschreibung sowie des Umfangs dieses Textes müssen die hier formulierten Überlegungen als vorläufig und gewissermaßen oberflächlich betrachtet werden. Für entsprechend fruchtbar erachte ich die Ausweitung des Beobachtungszeitraumes sowie der TeilnehmerInnengruppe zum Zwecke einer differenzierten Einordnung.

Darüber hinaus könnte eine weiterführende Untersuchung anders als diese Arbeit SuS vor allem innerhalb der sozialen Mechanismen der Peerkultur im Unterricht perspektivieren und dabei hier illustrierte SchülerInnenhandlungen, etwa die gegenseitigen Ermahnungen, der gegeneinander zum Ausdruck gebrachte Frust, aber auch die für MitschülerInnen sichtbaren Handlungen gegenüber der Lehrkraft, als Ausdruck von für SuS wichtigen „Sozialbeziehungen mit Gleichaltrigen“ (Heinzel 2012: 177) begreifen. Gewinnbringend scheinen mir insbesondere solche Überlegungen, die Peergruppe und Unterrichtsordnung als teilweise rivalisierende Sozialgefüge auch in ihrer Interaktivität wahrnehmen (vgl. Wiesemann 2011: 179 ).

Nur sehr vorsichtig darf hingegen eine Auswertung der Untersuchung aus pädagogisch-normativer Perspektive erfolgen, ist die ethnografischen Untersuchungen inhärente kritische Distanz mit Breidenstein gesprochen gerade durch die „Suspendierung von Normativität“ (2012: 42), i.e. von vorschnellen und didaktisch motivierten Erklärungsversuchen, zu gewährleisten. Wiesemann weist hingegen auch eingedenk dieser Vorsichtsmaßnahmen auf die Möglichkeiten kritischer Evaluation innerhalb von ethnografischer Forschung hin (vgl. 2011: 181). So könnte etwa die Frage danach gestellt werden, welchen langfristigen Einfluss die hier beispielhaft illustrierte Unterrichtsordnung auf SuS ausübt, welche Art SchülerIn sie also hervorbringt (vgl. ebd.). In Vergleichsperspektive ließe sich weiterhin untersuchen, wie sich SuS gegenüber der in liminalen Ritualen hergestellten Unterrichtsordnung in offenen Unterrichtsszenarien verhalten, wie dies auch Wagner-Willi fordert (vgl. 2018: 63).

5. Literaturverzeichnis

  • Breidenstein, G. (2012). Ethnographisches Beobachten. In H. De Boer & S. Reh (Hrsg.), Beobachtung in der Schule – Beobachten lernen (S.27-44). Wiesbaden: Springer VS.
  • Breidenstein, G., Hirschauer, S., Kalthoff, H. & Nieswand, B. (2015). Ethnografie. Die Praxis der Feldforschung (2. Aufl.). Konstanz/München: UKV Vertragsgesellschaft mbH.
  • Heinzel, F. (2004). Traktat vom „schwierigen Kind“ oder pädagogischer Optimismus? In F. Heinzel & U. Geiling (Hrsg.), Demokratische Perspektiven in der Pädagogik. Annedore Prengel zum 60. Geburtstag (S. 114–125). Wiesbaden: VS.
  • Heinzel, F. (2012). Der Blick auf Kinder. In H. De Boer & S. Reh (Hrsg.), Beobachtung in der Schule – Beobachten lernen (S.173-188). Wiesbaden: Springer VS.
  • Peschel, F. (2010). Freiraum statt Einschränkung: Offener Unterricht muss konsequenter umgesetzt werden. In T. Bohl, K. Kansteiner-Schänzlin, M. Kleinknecht, B. Kohler & A. Nold (Hrsg.), Selbstbestimmung und Classroom-Management. Empirische Befunde und Entwicklungsstrategien zum guten Unterricht (S. 93-114). Bad Heilbrunn: Klinkhardt.
  • Schelle, C. (2018). Unterricht anfangen. In M. Proske & K. Rabenstein (Hrsg.), Kompendium Qualitative Unterrichtsforschung. Unterricht beobachten – beschreiben – rekonstruieren (S. 85-102). Bad Heilbrunn: Klinkhardt.
  • Wagner-Willi, M. (2018). Rituelle Praktiken auf den schulischen Vorder- und Hinterbühnen. In J. Brühlmann & D. Conversano (Hrsg.), Rituale an Schulen. Wirksam und unterschätzt (S. 58-63). Zürich: Verlag LCH.
  • Wiesemann, J. (2011). Ethnographische Forschung im Kontext von Schule. In H.-U. Grunder, K. Kansteiner-Schänzlin & H. Moser (Hrsg.), Professionswissen für Lehrerinnen und Lehrer (S. 167-185). Baltmannsweiler: Schneider-Verl. Hohengehren.
  • Zizek, B. (2015). Exemplarische Rekonstruktion der Eröffnungsphase von Unterricht. Sozialisations-, bewährungs- und professionalisierungstheoretische Perspektiven auf Schule. Zeitschrift für Soziologie der Erziehung und Sozialisation, 35 (3), 321-338.

[1] Mit dieser Abkürzung bezeichne ich im Folgenden Schülerinnen und Schüler.

[2] Konstitutiv für ethnografische Forschung ist weiterhin die teilnehmende Beobachtung, d.h. die Teilnahme der beobachtenden Person an den Interaktionsmechanismen der zu beobachtenden Gruppe (vgl. Breidenstein et al. 2015: 7).

[3] SuS sind weiterhin bei der Allokation von Belohnungsmechanismen des Schulsystems (Lob, soziale Vorteile) von der Lehrkraft abhängig; Handeln nach ihrem Wunsch sowie gegen die eigene Peergroup kann damit auch als „Komplizenschaft,“ als Hoffnung auf einen Wettbewerbsvorteil in der Aussicht auf diese Belohnungen, verstanden werden. Die Lehrkraft verstärkt m.E. dieses Verhalten von Komplizenschaft, etwa indem sie zwar Lenas verbalen Versuch zur Beteiligung an der Herstellung von Unterrichtsordnung, nicht aber die sich etwa gegen Naomi entladenden Ausrufe, die der einzelnen Schülerin die Schuld für die vorenthaltene Belohnung zuweisen, sanktioniert.

Anfänge in der Grundschule – Unterrichtsanfang im Regelunterricht und Stundenanfang in der Notbetreuung im Vergleich (Anonym)

Diese Arbeit ist aus Gründen des Datenschutzes anonym veröffentlicht.

Inhalt

1. Einführung

„Was kennzeichnet einen beforschten Anfang?“ (Schelle, 2018, S. 86)

Anfang machen im Kontext Schule ist bei weitem noch nicht so erforscht, wie vielleicht zunächst angenommen werden würde, da dieser oft nicht mit in Beobachtungen aufgenommen und als eher nebensächlich betrachtet wird (vgl. ebd.). Unterrichtsanfänge werden zwar als „dynamisches Geschehen“ (Juen, 2013, S. 102f.) gesehen, es ist aber nicht einheitlich definiert, was sie genau konstituiert und wo sie anfangen (vgl. Becker-Mrotzek & Vogt, 2001, S. 142).

Um Unterrichtsanfänge näher betrachten und die für das Studienprojekt getätigten Beobachtungen definieren zu können, muss zunächst geklärt sein, was Unterricht im Allgemeinen ist. Nach Breidenstein und Tyagunova handelt es sich bei dem Schulunterricht um eine soziale Praxis, die zeitlich begrenzt ist und bei der sich Lehrkräfte, Schülerinnen und Schüler gemeinsam in einem Interaktionsfeld befinden (vgl. 2016, S. 77 f.). Nicht so deutlich definiert ist, wann genau eine Unterrichtsstunde beginnt (vgl. Tyagunova & Breidenstein, 2016, S. 81). Dies kommt jeweils auf die praktischen Umstände an, die je nach Schule, Klasse, Lehrkraft und Vorgaben variieren können (vgl. ebd.). Außerdem wird hier nochmal in zwei Phasen unterteilt: „in die Stundeneröffnung und den Unterrichtseinstieg“ (Juen, 2013, S. 31). Die Stundeneröffnung hat zunächst das Ziel, eine angenehme Lernatmosphäre herzustellen und die Lerngruppe zu etablieren, während der Unterrichtseinstieg gekennzeichnet ist durch das Befassen mit dem jeweiligen Thema der Stunde (vgl. Hüdepohl, 2009, S. 250). Im Kontext der vorliegenden Arbeit handelt es sich daher bei der ersten Beobachtung eher um eine Stundeneröffnung, während die zweite Beobachtung nochmal gesondert betrachtet werden muss. Sie weist weder Merkmale von Unterricht, noch einer Stundeneröffnung auf, da die Kinder eigenständig beginnen an unterschiedlichen Materialien zu arbeiten, ohne, dass von Seiten der Lehrkraft eine Lern- und Arbeitsatmosphäre hergestellt werden muss. Außerdem findet kaum Interaktion zwischen den teilnehmenden Personen statt und es wird nicht gemeinsam an einem Stundenthema gearbeitet. Daher handelt es sich bei der zweiten Beobachtung eher um einen allgemeinen Stundenanfang, der nur an der Uhrzeit festgemacht wird. Da trotz Notbetreuung weiter an den festen Schulzeiten mit einem Beginn um acht Uhr und den normalen Pausenzeiten festgehalten wurde und die gleiche Lehrerin beobachtet wird, handelt es sich um ähnliche Gegebenheiten, mit Ausnahme der Lerngruppe und dem Klassenraum. Die Fragestellung hinsichtlich des Studienprojekts lautet also: Wie unterscheidet sich der Stundenanfang während der Notbetreuung von dem Unterrichtsbeginn im Regelunterricht?

Zunächst wird im Folgenden das methodische Vorgehen im Studienprojekt dargestellt und eine Reflexion der eigenen Rolle, sowie das Vorstellen der beiden Lernkulturen finden statt. Anschließend folgen die beiden dichten Beschreibungen und deren analytische Dimensionierung. Die Arbeit endet mit einem Fazit, einer Zusammenfassung und einem kurzen Ausblick.

 

2. Mein methodisches Vorgehen

Im Rahmen meines Praxissemesters habe ich ein Studienprojekt an meiner zugeteilten Grundschule durchgeführt. Auf dem Hintergrund meiner Fragestellung habe ich mich auf die ethnografische Feldforschung konzentriert, mit dem hier spezifischen Feld des schulischen Unterrichts (vgl. Breidenstein, 2012, S. 28).

Hierbei handelt es sich um eine sozialwissenschaftliche Forschungsstrategie mit Fokus auf der teilnehmenden Beobachtung (vgl. Breidenstein, 2012, S. 27). Ursprünglich ging es bei der Ethnographie noch darum, eine fremde Kultur zu erforschen, ohne Erklärungen oder Urteile zu fällen (vgl. Breidenstein, 2012, S. 28). Die neu gefasste, hier genutzte Ethnographie zielt darauf ab, etwas bereits bekanntes zu beobachten „als sei es fremd“ (Amann & Hirschauer, 1997, S. 12), um neue Entdeckungen zu machen und Erkenntnisse zu sammeln.

Mein Interesse während der Beobachtungen galt vor allem den Interaktionen und Handlungen der Schülerinnen und Schüler, aber auch der Lehrkraft. Während der Beobachtungszeit habe ich Notizen gemacht, diese direkt im Anschluss geordnet und ergänzt, um anschließend „dichte Beschreibungen“ zu verfassen, welche möglichst übersichtlich, präzise und verallgemeinerungsfähig sind (vgl. Breidenstein, 2012, S. 31).

Außerdem habe ich bei beiden Beobachtungen darauf geachtet, alle handelnden Personen gut im Blick zu haben, um eine detaillierte Beobachtung anfertigen zu können und „Mikrostrukturen des jeweils konkreten unterrichtlichen Geschehens aufzuspüren“ (Wiesemann, 2011, S. 174).

Zunächst war geplant, dass ich den Unterrichtsanfang in meiner zugeteilten Klasse bei der Klassenlehrerin beobachte und diesen mit einem Unterrichtsanfang in der gleichen Klasse vergleiche, wenn eine andere Lehrerin den Unterricht beginnt. Da allerdings aufgrund der Corona-Pandemie im Januar kein Regelunterricht mehr stattgefunden hat, sondern nur noch eine Notbetreuung für einzelne Schülerinnen und Schüler, konnte die zweite Beobachtung nicht angefertigt werden. Die Thematik wurde daraufhin so abgeändert, dass die bereits im Dezember gemachte Beobachtung verglichen werden sollte mit einem Stundenanfang in der Notbetreuung. Der Themenwechsel erfolgte zwar erst nach Abschluss der ersten Beobachtung, war allerdings im Hinblick auf die neue Fragestellung kein Hindernis und die Beobachtung konnte übernommen werden. Im Hinblick auf die Fragestellung „Wie unterscheidet sich der Unterrichtsbeginn im Regelunterricht von demStundenanfang in der Notbetreuung?“, wurde im Januar dann in einer kleinen Gruppe, mit mir fremden Kindern, die zweite Beobachtung durchgeführt. Hier wäre noch zu erwähnen, dass es sich, trotz unterschiedlicher Lerngruppen, um die gleiche Uhrzeit und die gleiche Lehrerin handelt, sodass sich der Vergleich anbietet und sinnvoll erscheint.

Meine Teilhabe in der Beobachtung bestand „darin, die Aktivitäten der Akteure zu beobachten, zu beschreiben und zu verstehen“ (Wiesemann, 2011, S. 168). Im weiteren Verlauf werden die gewonnenen empirischen Befunde näher analysiert und miteinander verglichen, um die Unterschiede der beiden Beobachtungen herauszuarbeiten. Dabei gehe ich „Schritt für Schritt vor und folge damit der sich im Vollzug entfaltenden Logik der Praxis“ (Breidenstein, 2012, S. 36).

 

3. Reflexion

3.1. Meine Rolle im Feld als Forscherin

Während des Praxissemesters wechselte ich immer wieder zwischen den Rollen als Forscherin und Praktikantin. Durch meine teilnehmende Beobachtungsrolle nahm ich zwar am Geschehen teil, habe mich aber bewusst aus dem Handlungsverlauf des Unterrichts rausgehalten, um mich auf das Beobachten zu konzentrieren. Dies stand im Gegensatz zu meiner restlichen Rolle in der Klasse, da diese ansonsten geprägt war von einem regen Austausch mit den Schülerinnen und Schülern, dem Verfügbarstehen bei Fragen und dem Leiten von einzelnen Unterrichtssequenzen oder Unterrichtsstunden. Während ich die meiste Zeit des Praxissemesters in der Klasse umherging, vorne bei der Tafel einen Sitzplatz direkt neben einer Schülerin hatte, oder am Pult bei der Lehrkraft stand, entschied ich mich während der Beobachtungen bewusst dafür, hinten an einem Einzeltisch zu sitzen. Von dort hatte ich eine gute Sicht auf die Eingangstür, den vorderen Bereich der Klasse und alle Sitzplätze der Schülerinnen und Schüler. Außerdem stand dort ein Tisch und ich konnte direkt im Anschluss der Beobachtung noch an den Notizen arbeiten.

Zum Zeitpunkt der ersten Beobachtung war ich bereits über zehn Wochen in der Klasse, hatte bereits Vertrauen zu den Schülerinnen und Schülern aufgebaut und fühlte mich wohl damit, Unterrichtsstunden zu leiten. Das ethnographische Beobachten hingegen war mir weniger vertraut, da ich bisher eher Notizen bezüglich Unterrichtsmethoden und Ideen für eigene Unterrichtsstunden gesammelt hatte. Trotzdem funktionierte dies gut und die Schülerinnen und Schüler akzeptierten ab der ersten Beobachtung, dass ich währenddessen ich hinten saß, nicht für Fragen zur Verfügung stand. Der Wechsel zwischen Ethnographin und Praxissemesterstudentin fand immer wieder statt, ohne Probleme aufzuwerfen.

 

Anders war dies bei der zweiten Beobachtung, da ich keines der Kinder kannte und daher nicht wusste, wie auf mich reagiert wird. Außerdem wussten die Schülerinnen und Schüler nichts von meiner Beobachtungsaufgabe.  Da zu einem Großteil der Beobachtung keine Lehrkraft im Klassenzimmer war und kaum Interaktionen stattgefunden haben, hatte ich Schwierigkeiten damit, viele Notizen zu machen. Gerade durch das fehlende Erwidern meiner Begrüßung (vgl. Kapitel 5.3.) fühlte ich mich auch eher unwohl während des Beobachtungszeitraumes. Auch die Sitzplatzwahl war eine andere, da ich das erste Mal in dem Klassenraum war und nicht wusste, wo die Schülerinnen und Schüler Platz nehmen werden und wie viele überhaupt an der Notbetreuung teilnehmen. Daher habe ich mich an den Pult neben der Tafel gesetzt, von dem aus man zwar alle Tische der Kinder gut im Blick hat, allerdings nicht klar war, wie gut ich die Lehrperson beobachten kann.

 

3.2. Reaktionen des „Feldes“ auf meine Anwesenheit als Forscherin

Da mich die Klasse 4a seit vielen Wochen kennt, sowohl als Praxissemesterstudentin die den Unterricht unterstützt und bei Fragen zur Verfügung steht, als auch als leitende Lehrkraft, die ganze Unterrichtsstunden und auch einzelne Unterrichtstage übernommen hat, bin ich ihnen sehr vertraut. Außerdem sind sie es gewöhnt, dass ich regelmäßig hinten an dem Einzeltisch Platz genommen habe, um mir den Unterricht genauer anzusehen und Notizen zu machen. Dies wurde nicht weiter hinterfragt und es wurde akzeptiert, dass ich dabei möglichst nicht angesprochen werden sollte. Durch meine andere Sitzplatzwahl und das Arbeiten an den Notizen war für alle immer direkt klar, an welchen Tagen dies der Fall war.Allerdings kam es vorab oder auch nach den Beobachtungen dazu, dass einzelne Schülerinnen und Schüler auf mich zukamen und wissen wollten, was genau ich beobachte und wieso ich das tue. Meine Erklärung, dass ich mir ihren Schulalltag genauer anschaue oder Aufgaben für meine Universität erledige, reichte ihnen aus und wurde nicht weiter hinterfragt.

 

Zu den Kindern der zweiten Lerngruppe bestand kein vertrautes Verhältnis, da sie mich nicht kannten, außer eventuell von der Aufsicht auf dem Schulhof. Dies zeigte sich auch darin, dass keines der Kinder auf mich zukam oder mich ansprach, obwohl sie nicht wussten, in welcher Rolle ich in der Klasse bin. Sie haben mich zwar alle wahrgenommen und kurz angesehen, allerdings erfolgte keinerlei Kommunikation oder sichtbare Reaktion auf mein Dasein.

 

4. Beschreibung der Lernkultur der Klasse

Ich habe mein Praxissemester an einer zweizügigen, katholischen Bekenntnisgrundschule in Siegen durchgeführt und den Großteil meiner Zeit in der Klasse 4a verbracht, da die Klassenlehrerin auch meine Mentorin war. Meine erste Beobachtung fand auch in dieser Klasse statt, wobei es sich um 13 Mädchen und 7 Jungen handelt. Nach Angaben meiner Mentorin sind mehr als die Hälfte der Familien als bildungsfern eingestuft und insgesamt haben 17 Kinder einen Migrationshintergrund, acht von ihnen mit noch großen sprachlichen Problemen. Bei einer Schülerin wurde eine Lernbehinderung diagnostiziert, eine weitere hat ADHS und wird mit Ritalin behandelt. Daher ist jeden Tag eine Integrationshelferin mit in der Klasse, die die Lehrkraft unterstützt, besonders hinsichtlich der beiden zuvor genannten Schülerinnen.

In von mir durchgeführten Stunden wurde deutlich, dass die Klasse bei ihrer Klassenlehrerin deutlich leiser arbeitet und weniger Unruhe herrscht, als wenn ich die leitende Lehrkraft im Raum war. Die Beteiligung war aber erfreulicherweise immer sehr hoch und auf Aufforderung hin wurde es immer deutlich leiser, sodass eine angenehme Arbeitsatmosphäre herrschte. Außerdem nahm die Klasse mich sehr offen auf, freute sich auf von mir durchgeführte Stunden und meldete mir anschließend oft zurück, dass sie großen Spaß hatten.

Der Klassenraum der 4a ist sehr groß und verfügt über eine einseitige Fensterfront, von der aus man auf einen Wald und die große, zur Schule gehörende Spielwiese blicken kann. Gegenüber der Fensterfront stehen viele Regale und Schränke, die einen sehr ordentlichen Eindruck machen. Lediglich das Regal an der hinteren Wand des Klassenzimmers, in dem jedes Kind ein eigenes Fach besitzt, ist sehr unaufgeräumt. Direkt daneben sind vier Sitzbänke übereinandergestapelt, da sie zurzeit nicht genutzt werden dürfen. Dies führt dazu, dass in der Mitte des Raumes viel Platz ist, da die Bänke dort normalerweise stehen und die Doppeltische der Kinder dahinter in einer U-Form aufgestellt sind. Bei der Ordnung der Tische wurde darauf geachtet, dass sich alle Schülerinnen und Schüler im Blick haben, da viele Unterrichtsphasen darauf ausgelegt sind, dass sich gegenseitig drangenommen und diskutiert wird. Trotzdem ist, durch leichtes Drehen der Stühle, die Tafel für alle gut sichtbar, sodass der Mittelpunkt des Unterrichts jederzeit dorthin verlegt werden kann.

 

Bei der zweiten Lerngruppe handelte es sich um drei Kinder aus drei verschiedenen Klassenstufen, die ich bisher nur vom Sehen kannte. Auch meine Mentorin, die am Tag der zweiten Beobachtung die Aufsicht über die Gruppe übernahm, hatte bisher keines der Kinder im eigenen Unterricht und somit keine vertraute Beziehung zu ihnen. Sie kommen alle aus bildungsfernen Haushalten und haben einen Migrationshintergrund. Während deutschlandweit eine klare Differenz zwischen Berechtigung und der Inanspruchnahme der Notbetreuung besteht, und viele berechtigte Eltern ihre Kinder nicht in die Schule schicken (Langmeyer u.a., 2020, S. 19), ist es an meiner Praktikumsschule andersherum. Nicht nur berechtigte Familien schicken ihre Kinder in die Notbetreuung, sondern auch viele Eltern darüber hinaus. So ist es auch in dieser Lerngruppe, da ihre Zuordnung zu der Notbetreuung nicht darauf basierte, dass ihre Eltern arbeiten und sie daher Zuhause unbeaufsichtigt gewesen wären, sondern von Seiten der Lehrkräfte gewünscht war, dass sie kommen. Auf Nachfrage hin begründeten sie dies damit, dass die Kinder zu Hause keinerlei Unterstützung oder Aufsicht erhalten und man Sorge um ihren Zustand hätte, falls sie über Wochen nicht zur Schule kommen würden.

Von keinem der Kinder war der Raum der Notbetreuung das eigentliche Klassenzimmer, sodass auf diesen hier nicht näher eingegangen wird.

 

5. Dichte Beschreibungen und ihre analytische Dimensionierung 

5.1. Alltag in der Klasse 4a

Die Lehrkraft kommt kurz vor dem Klingeln in den Klassenraum. Einige Schülerinnen und Schüler sitzen bereits an ihren Plätzen, unterhalten sich angeregt mit ihren Sitznachbarn und andere stehen in Gruppen in der Klasse. Dabei handelt es sich mit einer Ausnahme um geschlechtshomogene Gruppen. Insgesamt herrscht eine gesellige Stimmung und es wird viel gelacht und sich lautstark unterhalten.

Die Lehrerin stellt ihre Sachen am Pult ab und Lena läuft direkt zu ihr, um einen Zettel abzugeben. Frau Müller nimmt diesen beiläufig entgegen und fragt das Mädchen, ob es ihr besser geht. Sie unterhalten sich noch, als es zur ersten Stunde klingelt.

Die Lehrerin schickt Lena auf ihren Platz und stellt sich vor die Klasse. Sofort wird es etwas leiser, die sich unterhaltenden Gruppen werden aufgelöst und alle gehen auf ihre Plätze. Nachdem die Lehrkraft fragt, wer fehlt und darauf hinweist, dass deren Stühle bitte noch von den Tischen genommen werden sollen, rufen mehrere Kinder die Namen der Fehlenden laut durcheinander. Die drei Kinder, die jeweils neben dem noch hochgestellten Stuhl sitzen, nehmen die Stühle von den Tischen, während die Lehrerin erklärt, dass zwei der Kinder sich noch in Quarantäne befinden und ein Kind krankgemeldet sei. Inzwischen schauen alle Kinder nach vorne und haben die Gespräche eingestellt.

Frau Müller schaut in die Runde und sagt mit freundlicher Stimme: „Ich wünsche euch allen einen schönen guten Morgen!“. Im Chor begrüßen die Schülerinnen und Schüler zunächst die Lehrkraft, die Integrationshelferin und zuletzt mich. Die Integrationshelferin schließt die Fenster, während Frau Müller die Tür schließt und zu dem Klassenschrank geht, der zwischen der Tafel und der Tür steht. An der Schranktür kleben viele verschiedene Gebete, aus denen jeden Morgen von der Lehrerin eines ausgewählt und vorgetragen wird. Alle stehen ohne zu sprechen auf und die Lehrkraft wartet mit Blick auf die Klasse, bis es ganz leise ist und alle zu ihr sehen. Dann beginnt sie mit den Worten: „Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes, Amen.“ Währenddessen machen alle gemeinsam das Kreuzzeichen und hören im Anschluss daran zu, als die Lehrerin mit ruhiger Stimme sehr betont ein Gebet vorspricht. Dabei haben einige Kinder die Hände verschränkt, manche haben ihre Hände auf der Tischkante und wieder andere lassen die Arme einfach baumeln. Als sie fertig ist, setzen sich alle hin und es beginnen Gespräche untereinander, die allerdings direkt eingestellt werden, als die Lehrkraft kräftig in die Hände klatscht und sie laut sagt, dass sie anfangen möchte und das Stundenthema vorstellt.

 

5.2. Erste analytische Dimensionierung: Die Perspektive der „Kinder“-Akteure 

Die beschriebene Szene spielte in einem zeitlichen Rahmen von elf Minuten im Klassenraum der 4a. Die Schülerinnen und Schüler können eigenständig ab 7:45 Uhr in den Raum, daher befinden sich bereits seit einigen Minuten viele Kinder in der Klasse.

Das Eintreten der Lehrkraft wird nicht von allen wahrgenommen, was daran zu sehen ist, dass Kinder mit dem Rücken zum vorderen Bereich der Klasse stehen, sich aber auch nicht umdrehen oder untereinander kommunizieren, dass Frau Müller gekommen ist. Außerdem ändert ihr Eintreten nichts an den Gesprächen oder der Aufteilung im Raum, was zeigt, dass ihr Eintreten nicht das Ereignis Unterricht für alle einleitet (vgl. Wagner-Willi, 2018, S. 60).

Die ausgelassene Stimmung und die angeregten Gespräche sind Ergebnisse der Interaktionen der verschiedenen Peergroups im Klassenraum. Diese sind in ähnlichen Zusammensetzungen wie schon in den Wochen davor und nur ein Junge steht in einer Gruppe mit Mädchen zusammen. Ansonsten handelt es sich um reine Mädchen- oder Jungengruppen, die unabhängig von der Sitzordnung sind. Diese geschlechtshomogene Aufteilung ist typisch für die vierte Klasse und löst sich oft erst einige Jahre später wieder auf (vgl. Tillmann, 1992, S. 14). Auch der Gang zum Pult und das Abstellen der Tasche ist ein typisches Ritual der Lehrerin, wobei sie die Aufmerksamkeit einer Schülerin auf sich lenkt und diese zu ihr nach vorne geht, um einen Zettel abzugeben. Der Schülerin scheint bewusst zu sein, dass der Unterricht noch nicht losgegangen ist und sie die Möglichkeit hat, Zeit der Lehrkraft zu beanspruchen. Diese „liminale Phase [vor dem]Unterricht lässt Raum für dyadische Prozesse zwischen einzelnen Schülern und dem Lehrer“ (Wagner-Willi & Göhlich, 2001, S. 187). Die Bezeichnung der Phase, die ausdrücken soll, dass noch kein Unterricht angefangen hat, wird von dem Ritualforscher Victor Turner als „liminale“ beziehungsweise als „Schwellenphase“ bezeichnet (vgl. 1989, S. 94) und ist auf ihn zurückzuführen. Diese dyadische Interaktion wird hier in der Unterform deutlich, dass die Schülerin der Lehrerin etwas übergibt. Dies ist ein vertrautes Muster, das zur Unterrichtsvorbereitung zählt (vgl. Wagner-Willi & Göhlich, 2001, S. 187).

Ähnlich ist es bei dem Klingeln, da dieses klassischerweise ein organisatorisches Ordnungssignal darstellt, auf das die Schülerinnen und Schüler reagieren, da es anzeigt, dass ein zeitlich gebundener Unterricht beginnt (vgl. Wolf, 2020, S. 9). Während dieses Signal den Schülerinnen und Schülern nach der Pause geläufig ist und sie daraufhin zurück in die Klasse kommen, ruft es zu Beginn des Schultages keinerlei Reaktion bei den Kindern hervor und scheint keinen Aufforderungscharakter zu haben, sich auf die Unterrichtsstunde vorzubereiten. Allerdings reagiert die Lehrkraft auf das Klingeln, schickt die Schülerin auf ihren Platz und nimmt eine für alle gut sichtbare Position vor der Tafel ein, von der aus sie alle Schülerinnen und Schüler im Blick hat. Anders als bei den vorherigen Situationen reicht dies aus, um die komplette Klasse sofort zu mobilisieren. Die Gespräche werden eingestellt und alle suchen ihren Sitzplatz auf, ohne diesbezüglich aufgefordert zu werden. Es scheint sich um eine etablierte Anfangsmarkierung zu handeln, die allen geläufig ist, keine weitere Kommunikation erfordert und die Brücke zwischen „Peerkultur und Unterrichtsordnung“ (Willi-Wagner, 2018, S. 63) schafft. Sie beendet das zwanglose Miteinander, dass bisher stattgefunden hat, ohne, dass dies weiter hinterfragt oder dem widersprochen wird (vgl. Schelle, 2018, S. 93). An dieser Stelle ist die liminale Phase des Übergangs zum Unterricht gut erkennbar, da die Lehrperson erste Schritte für die Herstellung einer Unterrichtsöffentlichkeit einleitet, der eigentliche Unterricht aber noch nicht beginnt (vgl. Wagner-Willi & Göhlich, 2001, S. 122), da sie zunächst fragt, wer noch fehlt. Auch die Anwesenheitskontrolle ist typisch für die Eröffnungsphase und führt hier dazu, dass es wieder lauter wird, da mehrere Kinder durcheinander in die Klasse rufen und drei der Kinder aufstehen, um die Stühle der fehlenden Kinder von den Tischen zu nehmen (vgl. Lüders, 2003, S. 217).

In der folgenden Begrüßung wird klar, dass sie „sich einer zutiefst routinisierten und vor allem von pädagogischen Ambitionen völlig befreiten Form der Unterrichtseröffnung bedient: einer standardisierten Begrüßungshandlung“ (Wolf, 2020, S. 12). Diese scheint im Kontext Schule etwas übertrieben, da mit dem Unterrichtsbeginn das zwanglose Miteinander endet (vgl. Schelle, 2018, S. 93). Auch die Reaktion von Seiten der Schülerinnen und Schüler, gemeinsam im Chor die Begrüßung zu erwidern, folgt einem altbekannten Muster, das in der Klasse ritualisiert zu sein scheint (vgl. Wolf, 2020, S. 12). Interessant ist, dass die Begrüßung der Kinder nicht allein auf die Lehrkraft bezogen ist, sondern sie automatisch auch die Integrationskraft und die Praxissemesterstudentin mit einbeziehen.

Auch im Anschluss der Begrüßung, als sowohl die Integrationshelferin, als auch die Lehrerin sich zunächst um das Schließen von Fenstern und der Tür kümmern, sitzen die Schülerinnen und Schüler leise auf ihren Plätzen und scheinen auf den weiteren Verlauf der Stunde zu warten, wie es auch die bisherigen Wochen zuvor immer der Fall war.

Das Rituale in der Klasse den Morgen strukturieren, wird auch daran deutlich, dass alle Schülerinnen und Schüler unaufgefordert aufstehen, als die Lehrerin zu dem Klassenschrank geht, an dem die Gebete hängen, von denen sie jeden Morgen eines vorträgt. Auch das anschließende Kreuzzeichen wird von allen gemacht und es ist ganz still, während das Gebet vorgelesen wird. Währenddessen nehmen die Kinder verschiedene Haltungen ein. Einige auch eine typisch muslimische Gebetshaltungen, was zeigt, dass die Kinder, trotz der katholischen Bekenntnisschule und den christlichen Gebeten, ihre eigenen Religionen mit einfließen lassen dürfen.

Im Anschluss an das gemeinsame Morgenritual setzen sich alle Schülerinnen und Schüler unaufgefordert hin und es beginnen Gespräche untereinander. Allerdings werden diese, durch das in die Hände klatschen der Lehrperson, direkt wieder eingestellt. Dieses akustische Signal scheint bei allen präsent als eine Aufforderungzu sein, leise zu werden. Es kann in der Klasse als etabliert bezeichnet werden, da sofort wieder Ruhe einkehrt und die Lehrperson mit Nennung des Themas den Unterricht einleitet (vgl. Becker-Mrotzek & Vogt, 2001, S. 141).

 

5.3. Totenstille im Klassenzimmer

Um 8 Uhr befindet sich ein Mädchen mit mir in dem Klassenzimmer, das an der Notbetreuung teilnimmt, und arbeitet leise an ihren Aufgaben, die sie zuvor eigenständig dem wöchentlichen Lernplan entnommen hat. Es kommen zwei weitere Kinder in die Klasse, schauen mich kurz an, reagieren aber beide nicht auf mein „Guten Morgen“. Stattdessen schauen sie in den Klassenraum und gehen an Plätze, die sehr weit voneinander entfernt sind, auch von der schon hinten sitzenden Hanna. Sie nehmen jeweils die beiden Stühle von ihren Tischen und setzen sich leise. Hanna schaut ihnen dabei zu, widmet sich dann aber wieder ihren Aufgaben, ohne dass sie miteinander gesprochen haben. Auch die beiden neuen Kinder holen eigenständig ihre Arbeitsmaterialien heraus, Timo liest in seinen Lernplan und Lisa nimmt zunächst eine Schere aus ihrem Mäppchen und schabt damit an einem Stift. Obwohl dies ziemlich laut ist, beachten die anderen beiden Kinder sie nicht.

Die Lehrkraft steht währenddessen auf dem Flur und unterhält sich mit einer anderen Lehrerin. Timo durchsucht einen Ordner voller Hefte, während Lisa ihr Schreibheft aus ihrer Tasche holt und beginnt zu arbeiten. Auch Timo entscheidet sich für ein Heft und beginnt zu schreiben. Sie arbeiten alle an anderen Materialien, schauen sich nicht an und keines der Kinder sagt etwas.

Timo schaut dabei immer wieder um sich, scheint einige Objekte länger zu fixieren und blickt öfters aus dem Fenster, während die anderen beiden konzentriert auf ihre Materialien schauen und den Blick nicht heben. Da die Tür offen ist, hört man durchgängig, wie sich die Kinder aus dem Nebenraum laut unterhalten und lachen. Während dort eine sehr gesellige Stimmung herrscht und die Kinder Spaß zu haben scheinen, wirken die Kinder hier nicht, als hätten sie Spaß oder als würden sie gerne untereinander kommunizieren.

Hanna schließt ihr Heft und widmet sich einer Box voller kleiner Kärtchen, indem sie immer eine Karte herausnimmt, sie liest und dann auf die Rückseite schaut. Währenddessen beendet die Lehrerin ihr Gespräch und kommt mit zwei Taschen in die Klasse, stellt sie am Pult ab und schaut in die Runde. Dann sagt die Lehrkraft an alle gerichtet, dass sie noch telefonieren muss, gleich wieder da wäre und die Kinder sich bei Fragen an mich wenden können. Die Schülerinnen und der Schüler schauen die Lehrkraft an, sagen allerdings nichts und wenden sich wieder ihren Schulsachen zu. Auch als die Lehrerin den Raum verlässt und die Tür schließt, arbeiten die drei leise in ihren Heften weiter, während man auch durch die Tür noch die Kinder im Nebenraum lachen hört.

 

5.4. Zweite analytische Dimensionierung: Die Perspektive der „Kinder“-Akteure

Die Szene spielt in einem zeitlichen Rahmen von zehn Minuten und beginnt ebenfalls um acht Uhr, wobei es während der Notbetreuung nicht klingelt und den Kindern so nicht durch ein akustisches Signal deutlich gemacht wird, dass der Schultag beginnt.

Hanna, die schon seit einigen Minuten in dem Klassenraum ist, arbeitet seitdem leise an ihren Aufgaben, ohne zuvor dazu aufgefordert worden zu sein. Auch ihr Platznehmen und das Aussuchen von Arbeitsmaterialien erfolgten eigenständig, obwohl es sich erst um den dritten Tag handelt, an dem sie im Rahmen der Notbetreuung zur Schule kommt. Dies zeigt ihre schnelle Anpassungsfähigkeit in der neuen Situation, da es zunächst ungewöhnlich wirkt, wie schnell sie den neuen Ablauf angenommen hat. Die Selbstständigkeit, die die Schülerin zeigt, ist Leitidee eines „offenen Unterrichtes“, wodurch die Situation zunächst den Eindruck macht, als könnte es sich um diesen handeln (vgl. Jank & Meyer, 2011, S. 212).

Zwei weitere Kinder kommen vom Flur aus in die Klasse, ohne mit der dort stehenden Lehrerin zu reden. Dies kann daran liegen, dass sie mit dem Rücken zum Eingang steht und sich mit einer anderen Lehrkraft unterhält. Das Timo und Lisa zielstrebig in die Klasse kommen deutet darauf hin, dass sie bereits bei der Notbetreuung waren und wissen, in welchen Raum sie morgens gehen müssen. Interessant ist, dass keines der Kinder den Morgengruß erwidert, obwohl dieser ihnen aus ihrem Regelunterricht bekannt ist. Eine mögliche Erklärung könnte sein, dass sie die grüßende Person nicht kennen, das Umfeld ein nicht vertrautes ist und sie sich an den jeweils anderen Kindern orientieren, die ebenfalls nicht grüßen. Diese Vermutung wird noch darin bestärkt, dass die Begrüßung am folgenden Tag in der gleichen Konstellation erwidert wird, nachdem die Kinder einen Tag lang gemeinsam mit der Ethnographin verbracht haben. Auch dass beide sich automatisch weit voneinander entfernt einen Platz suchen zeigt, wie schon zuvor bei Hanna, die schnelle Anpassungsfähigkeit an die neue Situation.

Da die beiden Mädchen leise arbeiten, tritt Timo in den Fokus der Beobachtung, was allerdings nicht an auffälligem Verhalten liegt, sondern daran, dass er als einziger nicht durchgängig in sein Heft schaut und darin arbeitet. Die ethnographische Aufgabe war dahingehend eine Herausforderung, dass „nonverbale Kommunikationen aufgrund ihrer sozialen Sprachlosigkeit nicht zweifelsfrei eindeutig und präzise adressierbar sind und somit immer ein Stück weit ‚situativ-diffus‘ und interpretatorisch offen bleiben“ (Meier, 2004, S. 112). So ist beispielsweise nicht klar, ob er keine Lust hatte zu arbeiten, Schwierigkeiten mit seinen Aufgaben hatte, oder er eventuell generell Probleme dabei hat, fokussiert über einen gewissen Zeitraum zu arbeiten.

Keines der Kinder wirkt während der Beobachtung aufmerksamkeitsheischend und sie sind sehr ruhig, sodass ein starker Kontrast zu der Lerngruppe im Klassenzimmer einen Raum weiter entsteht. Diese unterhalten sich über den gesamten Beobachtungszeitraum laut und lachen, was keine Neugierde bei den drei Kindern zu wecken scheint, da diese keinerlei Reaktion darauf zeigen.

Zunächst könnte erwartet werden, dass die Lehrerin, wie auch zu Unterrichtsbeginn in ihrer Klasse, nach dem Gang zum Pult und dem Abstellen ihrer Taschen die Lerngruppe begrüßt, da sie dies bisher nicht getan hat. Stattdessen sagt sie, an alle gerichtet, dass sie noch telefonieren muss. Es wird deutlich, dass sie weder versucht die Aufmerksamkeit der Lerngruppe zu etablieren, noch ein gemeinsames Stundenthema zu finden und in dieses einzuführen. An diesen Aspekten kann man deutlich sehen, dass es sich nicht um einen normalen Schulunterricht handelt (vgl. Tyagunova & Breidenstein, 2016, S.77 f.). Neben den vorab genannten Merkmalen von Unterrichtsaufgaben einer Lehrkraft, ist hier auch kein für Unterricht typisches Interaktionsfeld erkennbar, da die Lehrerin die Klasse für eine unbestimmte Zeit verlässt. Auch ihr Verweisen auf mich, eine den Kindern unbekannte und nicht vertraute Person, wird ohne Kommentar angenommen. Sie könnten sich mit nichtunterrichtlichen Aktivitäten beschäftigen, ohne dass dies zunächst auffallen würde, da ich die Lern- und Aufgabenpläne der einzelnen Schülerinnen und Schüler nicht kenne und es beispielsweise auch Aufgabe sein könnte, etwas zu malen. Die stille Arbeitsphase, die anschließend erfolgt und noch weit über die Beobachtung hinaus geht, steht erneut in Kontrast zu der Lautstärke im Klassenzimmer nebenan, aus dem, trotz geschlossener Tür, weiter Gespräche und Lachen zu hören sind.

 

6. Fazit

In den analytischen Dimensionierungen sollte dargelegt werden, wie sich die Anfänge im Regelunterricht von denen in der Notbetreuung unterscheiden und wieso nicht in beiden Fällen von Unterrichtsbeginn gesprochen werden kann. Von Unterrichtsbeginn ist hierbei die Rede, wenn die Schritte Platzzuweisung, die Herstellung einer Unterrichtsöffentlichkeit und die Nennung des Stundenthemas durch die Lehrkraft erkennbar sind (vgl. Becker-Mrotzek & Vogt, 2001, S. 141). Während alle drei Phasen in der ersten Beobachtung gut erkennbar sind und nacheinander durchlaufen werden, beinhaltet die zweite Beobachtung keine davon. Obwohl das Verhalten der Schülerinnen und Schüler bei der analytischen Dimensionierung im Fokus lag, wurde durch dieses Beispiel deutlich, dass die Lehrkraft eine zentrale Rolle darstellt, da es ohne ihre Präsenz zu keiner Unterrichtssituation kommt.

Der erste Unterschied besteht also darin, dass es sich nur bei einer der Beobachtungen um einen wirklichen Unterrichtsbeginn handelt, während die zweite Beobachtung einen Anfang zum selbstständigen Arbeiten an den Arbeits- und Lernplänen darstellt. Da Wochenpläne ein typisches Merkmal von „offenem“ Unterricht sind, könnte zunächst eine Verbindung hergestellt und dadurch angenommen werden, dass es sich um diesenhandelt (vgl. Rabenstein & Reh, 2007, S. 25). Allerdings geht es bei dem Konzept des „offenen“ Unterrichts immer noch um einen von der Lehrkraft geleiteten und strukturierten, zeitlich begrenzten Rahmen, der hier nicht erkennbar ist, da die Lehrerin weder die Lerngruppe mobilisiert, Aufgaben verteilt oder diese kontrolliert oder bei ihrer Bearbeitung hilft. Somit lässt sich die Beobachtung erneut nicht genau zuordnen und wird als ein Stundenbeginn definiert, da sie wie die erste Beobachtung mit Beginn der normalen Schulzeit um acht Uhr beginnt und sich auch im weiteren Verlauf der Notbetreuung an den normalen Schul- und Pausenzeiten orientiert.

Ein weiterer, deutlich erkennbarer Unterschied besteht in dem Verhalten und der Interaktion, sowohl zwischen den Schülerinnen und Schülern untereinander, als auch mit der Lehrkraft. Während in der ersten Beobachtung typische Verhaltensweisen, wie die Interaktion zwischen Schülerin und Lehrerin, dem gemeinsamen Begrüßen, einem Ritual und dem Zusammenkommen in Peergroups, zu erkennen sind, fehlen diese in der zweiten erneut. Die fehlenden Gespräche könnten darauf zurückzuführen sein, dass die Kinder weder zueinander, noch zu der Lehrperson, ein vertrautes Verhältnis haben und keiner gemeinsamen Peergroup angehören. Dies ist wahrscheinlich, da sie alle aus unterschiedlichen Klassen sind und keiner bei der Lehrkraftbisher Unterricht hatte. Trotzdem kann aus der Beobachtung keine Verallgemeinerung entnommen werden, da es sich bei der Lerngruppe im Nebenraum ebenfalls um eine zufällig zusammengestellte Lerngruppe aus unterschiedlichen Klassenstufen handelte, diese aber laute Gespräche führten und sich untereinander gut zu verstehen schienen. Der Beobachtung kann man zusätzlich entnehmen, dass ich als Ethnographin eher überrascht über das Schülerverhalten war, da ich mit mehr Interaktion gerechnet hatte, was man der Beschreibung entnehmen kann, was die Schülerinnen und Schüler nicht tun, obwohl der Fokus darauf lag, zu beobachten was sie tun.

Ebenfalls große Unterschiede waren im Verhalten der Lehrkraft zu sehen, obwohl es sich um die gleiche Person handelte. Während sie in der ersten Beobachtung gezielt darauf hinarbeitet, die Unterrichtsstunde zu beginnen, scheint sie während der Notbetreuung eine andere Rolle einzunehmen. Dies wird gerade durch die fehlende Begrüßung deutlich und daran, dass sie die Stunde nicht leitet, sondern sich der Verantwortung der Betreuung entzieht, indem sie die Klasse über einen langen Zeitraum verlässt, um zu telefonieren.

Es wird sehr deutlich, dass große Unterschiede bei den Beobachtungen zu sehen sind und der Beginn im Regelunterricht ein anderer ist, als der in der Notbetreuung. Allerdings wird letzteres nicht immer in dem hier aufgezeigten Maße der Fall sein, was man in direktem Vergleich mit der Lerngruppe im Nebenraum sehen kann. Dies zeigt die großen Unterschiede je nach Lerngruppe und wie individuell das Verhalten der Schülerinnen und Schüler sein kann. Außerdem gibt es viele Einflussfaktoren, die dieses Verhalten begünstigen.

Daher wäre es interessant gewesen, weitere Lerngruppen zu beobachten um so mehrere Anfänge in der Notbetreuung miteinander zu vergleichen. Auch der Vergleich der ersten Beobachtung mit der gleichen Lerngruppe und der gleichen Lehrkraft während der Notbetreuung hätte noch deutlicher aufzeigen können, inwiefern sich das Verhalten der Kinder und der Lehrkraft, je nach Situation, ändert.

Durch eine andere Methode, die Videographie, hätten hierbei eventuell noch mehr Ergebnisse gesammelt werden können. Videos ermöglichen, im Gegensatz zu der teilnehmenden Beobachtung, eine wiederholte Betrachtung des Geschehenen, wodurch die Aufmerksamkeit der Forscherinnen und Forscher „auf mehrere simultan ablaufende Interaktionsprozesse möglich wird“ (Wagner-Willi, 2007, S. 141).

Insgesamt zeigt das Studienprojekt, dass Anfänge in der Grundschule sehr unterschiedlich gestaltet werden können, viele Einflussfaktoren diese Unterschiede bedingen und es viele weitere Ansatzpunkte gibt, um in diesem Bereich weiter zu forschen.

Literaturverzeichnis

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Spannungsfeld Peerkultur und Schule – Eine ethnografische Beobachtung zum Übergang zwischen Pause und Unterricht (Anonym)

Diese Arbeit ist aus Gründen des Datenschutzes anonym veröffentlicht.

Inhalt

Einleitung

Folgende ethnografische Forschung beschäftigt sich mit der Thematik des Übergangs zwischen Pause und Unterricht. Die dafür genutzte Beobachtung stammt aus meinem Praxissemester in einer jahrgangsgemischten Grundschule. Diese arbeitet mit einem offenen Lernkonzept, welches an Maria Montessori angelehnt ist. Einige schulspezifische Besonderheiten sind demnach auch für die Rahmung folgender Ergebnisse entscheidend. Zum einen befindet sich zwischen der Hofpause und dem Unterricht noch eine Art Zwischenpause, die das Frühstücken der Schüler[1] im Klassenraum ermöglich soll. Diese ist durch die Lehrperson beaufsichtigt und die Nachbarklasse steht hier ebenfalls als Aufenthaltsort zur Verfügung. Zum anderen findet der Unterrichtsbeginn immer in einem feststehenden Sitzkreis statt, welcher als ritueller Treffpunkt gesehen werden kann.

Der Übergang zwischen Pause und Unterricht wird als „Schwellenphase“ oder auch „liminale Phase“ bezeichnet und ist gekennzeichnet durch ein hohes Aufkommen an Aktivitäten, Intensität und spontanen Handlungen. Diese Übergangsphase ist weder durch die Regeln des Unterrichts noch die der Peers bestimmt und wird daher oft als eine Art Durcheinander erlebt (vgl. Wagner-Willi 2018, S. 58, 63). Dieses „Spannungsfeld“ (Gröhlich & Wagner-Willi 2001, S. 123) bzw. die unterschiedlichen Ordnungen veranschaulicht Wagner-Willi (vgl. 2018, S. 58, 63) durch den Gebrauch der Theatermetaphorik, in der sie die Bühne, auf der das schulische Handeln aufgeführt wird, in eine Vorder- und Hinterbühne aufteilt. Während die Vorderbühne den Unterricht zeigt, wird die Hinterbühne genutzt, um die Entfaltung der Subkulturen sowie Einstimmungen und Verarbeitungen des nächsten Unterrichtsgeschehens anzubahnen Es bedarf daher Ritualen, um der kulturellen Rahmung von Unterricht in der Rolle des Schülers gerecht zu werden und die Schwellenphase zu beenden (vgl. ebd. S. 59). Diese Rituale sind durch einen konjunktiven und kommunikativ-generalisierten Sinnzusammenhang strukturiert, wobei die Akteure zueinander ein rollenförmiges Verständnis aufweisen. Akteure verfügen über unterschiedliche konjunktive Erfahrungsräume, beispielsweise durch ihr Geschlecht, ihre Kultur oder Herkunft. Diese werden in der Pause häufig durch Peerkulturen, die über gleiche konjunktive Erfahrungsräume verfügen und sich abgrenzend zu anderen Erfahrungsräumen zeigen, erkennbar. Der Unterricht zeigt eine Differenz zwischen den Sinnzusammenhängen der Pause auf (vgl. Wagner-Willi 2005, S. 284), die sichtbar in zeitlichen, räumlich-materiellen und sozialen Strukturen werden (vgl. ebd.; Gröhlich & Wagner-Willi 2001, S. 122). Diese Rituale dienen der Herstellung einer angenehmen Arbeitsatmosphäre und einer aktiven Teilnahmebereitschaft am Unterricht (vgl. Rabenstein & Reh 2010, S. 73). Vor allem der Übergang von der Pause zum Unterricht zeigt einen maximalen Kontrast (vgl. Wagner-Willi 2005, S. 283).

Dichte Beschreibung und Analytische Dimensionierung

Die Schüler befinden sich verteilt in ihrer Klasse. Viele sitzen in kleinen Gruppen, circa 3-4 Personen an Gruppentischen oder im Sitzkreis. Eine Jungengruppe steht am Eingangsbereich bei den Schultaschen. Die Lehrerin steht nahe der Tafel an einem Hochtisch und schreibt mit fokussiertem Blick in ein Heft. Es herrscht eine kommunikative angeregte aber dennoch angenehme Stimmung. Die meisten Kinder sind damit beschäftigt miteinander zu reden, Karten auszutauschen oder etwas von ihrem vor ihnen liegenden Frühstück zu trinken oder zu essen. Durch die Gespräche befindet sich ein relativ hoher Lärmpegel in der Klasse. Die Verbindungstür zur Nebenklasse sowie die Tür zum Flur steht weit geöffnet.

Die folgende Situation beschreibt den Übergang zwischen Frühstückspause, die nach der Hofpause stattfindet und dem Unterricht. Die Pause wird durch die Klassenlehrerin beaufsichtigt, wobei sie angeregt in etwas vertieft ist und in keiner Interaktion mit Schülern steht. Die meisten Kinder haben bereits eine unterrichtstaugliche Sitzhaltung eingenommen, ein paar andere befinden sich stehend im Raum. Zudem befinden sich Kinder im Sitzkreis, diese haben bereits den richtigen Sitzplatz für das kommende Unterrichtsgeschehen eingenommen, da dieser immer rituell am Anfang der Stunde genutzt wird. In der Klasse befinden sich verschiedene Requisiten, zum einen Frühstückspausendinge, wie Butterbrotdosen und Trinkflaschen und zum anderen Spielkarten, die ebenfalls in der Hofpause genutzt werden können und nicht primär für das Frühstück stehen. Die offenen Türen zur Nebenklasse und zum Flur schaffen einen bewegungszulassenden Raum und Gänge zu diesen Bereichen. Die Kinder öffnen diese Türen, wenn sie mit den Kindern der Nebenklasse Kontakt haben wollen. Die Tür zum Flur bleibt nach Eintreffen nach der Hofpause für gewöhnlich offen. Im Prinzip erscheint eine einladende Wirkung zu verschiedenen Räumen, was auch für einen engeren Kontakt zwischen den beiden Klassen spricht. Die Lautstärke ist kennzeichnend für eine Pausenatmosphäre und auch die Frühstückspause regt somit intensive Gespräche an und schafft daher eine Ebene der Peerkultur.

Ein Dong ertönt durch die Klasse. Simon, David, Abdul und Ilyas, die im Sitzkreis ruhig sitzen, beginnen ihr Brot in ihre Butterbrotbox zu räumen und ihre Trinkflasche zu verschließen. Sie greifen sich ihr Proviant zwischen verschränkten Armen und Brustkorb und spazieren zu ihren Schultaschen, die von der kompletten Klasse in einem Regal nah der Eingangstür gesammelt stehen, verstauen dieses und kehren wieder in den Sitzkreis zurück. Dies geschieht in einem durchgängig gemütlichen Tempo.

In direkter Folge zum akustischen Signal leiten die vier ihre ersten Handlungsschritte in Richtung Unterrichtsgeschehen ein. Für sie ist der Dong eine Aufforderung das Frühstück wieder zu verstauen und sich in die Rolle des Schülers zu begehen. Das Wegpacken der Frühstücksdinge ist noch ein notwendiger Schritt, um regelkonform am Unterricht teilnehmen zu können, denn nur die Federmappe ist ein erlaubtes Requisit im Sitzkreis.  Ihr gemütlicher Gang ist jedoch ein Zeichen dafür, dass sie wissen, dass das Unterrichtsgeschehen noch etwas dauert und sie sich nicht beeilen müssen. Ihre geringe Interaktion in der Frühstückspause und ihre Wahl im Raum deutet darauf hin, dass sie die Frühstückspause bereits als Zwischenschritt zum Unterricht sehen.

Julia, Aylin und Zoe, die an einem der Gruppentische sitzen, reden angeregt und lachen. Ab und zu beißt eine von ihnen in ihr Brot oder trinkt mit nach hinten gebeugtem Kopf an der Trinkflasche. Zoe lehnt ihren Oberkörper an die Stuhlkante und legt ihre Beine überkreuzt auf den danebenstehenden freien Stuhl. Nach circa einer Minute beginnen sie ebenfalls ihr Frühstück einzupacken und in ihre Schultaschen zu bringen. Während Aylin ihr Frühstück in die Tasche geräumt hat, hopst sie zum Sitzkreis, lässt sich flott auf die Bank fallen und klopft neben sich mit der flachen Hand auf die Bank. Dabei ruft sie die Namen von Julia und Zoe, nimmt ihre rechte Hand waagerecht hoch und kippt ihre Finger auf und ab. Zoe stürmt zu ihr und lässt sich neben sie fallen. Julia dreht sich kurz mit dem Kopf um, dann wieder zurück und packt ihre Sachen weiter ein. Danach kommt sie, nicht so schnell wie Zoe, aber zügig in den Sitzkreis.  Nun ist der Sitzkreis bereits gut gefüllt und die Lautstärke ist durch die zahlreichen Gespräche relativ hoch. Langsam trudeln auch Kinder aus der Verbindungstür zur Nebenklasse in ihren Klassenraum.

Die drei Mädchen zeigen deutliche Unterschiede zu dem Verhalten der im Vorfeld beschrieben Jungengruppe. Die Sitzhaltung der Mädchen ist besonders durch eine entspannte und gemütliche Art dokumentiert, insbesondere durch Zoes Positionierung. Zudem reagieren die Mädchen eine Zeit nicht auf das akustische Signal, als hätten sie dieses nicht wahrgenommen und gehen den Pausenaktivitäten Frühstücken und Reden weiter nach. Dennoch müssen sie den Dong oder die Bewegung der anderen Kinder zur Kenntnis genommen haben, da sie sich nach einiger Zeit ebenfalls in Richtung Sitzkreis bewegen. Auch sie packen vorerst ihre Frühstücksdinge weg. Dies scheint eine notwendige Voraussetzung für eine Unterrichtstauglichkeit zu sein und markiert den Gang vom Pausenplatz zum Regal mit den Schultaschen und vor allem den Gang zwischen diesem Regal und dem Sitzkreis, der nun von allen Kindern durchlaufen werden muss. Das Reagieren auf den Gong und das Wegpacken des Frühstücks geschieht ebenfalls in einer gemütlichen und nicht aus der Ruhe zu bringenden Aktivität, wahrscheinlich wissen auch sie, dass der Unterricht nicht direkt nach dem Gong startet oder andere wichtige Hinweise, wie zum Beispiel Reaktionen der Lehrerin sind noch nicht eingetroffen. Der Weg vom Schultaschenregal zum Sitzkreis erfolgt nun jedoch dynamischer. Aylin läuft zum Sitzkreis und reserviert den anderen beiden Sitzplätze neben sich und ihre angeregten Handlungen, dass die anderen beiden sich beeilen und sich neben sie setzen sollen zeigt, dass ein Nebeneinandersitzen Vorteile hat. Es kann ebenfalls davon zeugen, dass die drei ihre Konversation von eben weiterführen wollen. Daher bleiben auch Aspekte der Peerkulturen durch eine freie Sitzplatzauswahl, im Unterricht bestehen. Der Sitzkreis zeigt sehr deutliche eine Zwischenform von Pause und Unterricht, da bereits einige Vorbereitungen stattgefunden haben, z.B. das Wegpacken der Pausenrequisiten und der richtigen Platzeinnahme. Dennoch zeichnet die Situation auch pausentypische Merkmale aus, da die Schüler angeregt miteinander sprechen. Insbesondere die Wahl des Sitznachbarn scheint wichtig, um Konversationen weiterführen zu können. Da auch einige Kinder aus den Nebenklassen eintrudeln, kann deutlich gemacht werden, dass die Verbindungstür zur Nebenklasse für einige als Einladung empfunden wurde, den Klassenraum zu wechseln.

Elyas, Devin und Tarik, die Jungengruppe, die sich an den Schultaschen aufhält, hat sich von diesen etwas entfernt und steht nun zentraler im Raum. Sie halten Karten in der Hand, wechseln diese zum Teil, reden impulsiv (werden schlagartig laut) und nutzen dabei durch ihre Hand- und Körperbewegungen einen großen Raum. Zum Teil wippen sie vom einen auf das andere Bein, zeigen ihre Karten, in dem sie diese mit ausgestreckter Hand vor sich halten oder reißen ihre Augen auf und runzeln ihre Stirn. In langsamen Schritten bewegen sie sich zu einem Gruppentisch, der noch mit Getränkeflaschen und Butterbrotdosen voll liegt. Während sie sich unterhalten, packen sie ihre Sachen zusammen und bringen diese zu ihren Schulranzen. Elyas und Tarik haben ihre Karten ebenfalls in ihre Schultasche geräumt und bleiben vor diesen stehen und reden. Devin hat seine Karten noch in der Hand und geht selbstverständlichen Schrittes aus dem Klassenraum in den Flur.

Bei dem Beispiel der Jungen wird sehr deutlich, dass sie auch lange nach dem Dong Anzeichen für ein pausentypisches Verhalten zeigen. Sie haben beispielsweise Unterrichtsvorbereitungen, wie das Wegpacken ihrer Pausendinge oder das Einnehmen eines Sitzplatzes im Kreis, nicht vorgenommen. Die stehende Haltung zeigt Ähnlichkeiten zu dem typischen Verhalten in der Hofpause und nicht des Unterrichts. Zudem zeigen sie ein sehr impulsives und bewegungsvolles Verhalten was kennzeichnend für die Pause ist. Insbesondere ihre Karten scheinen Anlass für eine sehr angeregte Unterhaltung zu sein, die den Anschein macht, dass sie Umliegendes nicht wahrnehmen.  Dennoch setzen auch sie sich, später als die anderen, in Bewegung zu ihren Taschen. Dies geschieht aber eher nebensächlich, da sie ihre Unterhaltung weiterführen und ihre Schritte langsam sind. Ebenfalls zeigen die anders verorteten Frühstücksgegenstände, dass die Schüler diese besondere Art der Pause nicht genutzt haben, um zu Frühstücken, sondern ihre Aktivitäten der Hofpause im Klassenraum fortsetzen. Ihre angeregten Gespräche und das Nutzen der Spielkarten sind Indiz dafür, dass sie sich auf der peerkulturellen Ebene befinden und diese gerade als sehr wichtige Situation erlebt wird. Elyas und Tarik scheinen sich nun durch das Wegpacken der Gegenstände, insbesondere der Karten in Unterrichtsvorbereitungen zu befinden, können sich allerdings von ihrem Gespräch noch nicht lösen. Devins Verhalten ist jedoch gegensätzlich zu dem der beiden. Er packt zwar frühstücksrelevante Dinge weg, seine Karten jedoch nicht. Zudem geht er in die gegensätzliche Richtung und verlässt den Klassenraum. Zudem sucht er einen Raum auf, der nun abgelegen vom Unterrichtsgeschehen ist und zudem wahrscheinlich durch Ruhe geprägt ist. Eventuell nutzt er diesen, um sich auf den Unterricht vorzubereiten und Abstand von der Pausensituation und den Gesprächen zu gewinnen, um sich in die Rolle des Schülers einzufinden.

Die Lehrerin blickt von ihrem Tisch, schließt die nahe gelegene Verbindungstür zur Nebenklasse, geht zum Sitzkreis, quetscht sich etwas durch die Schüler und setzt sich auf den freien Platz vor dem Whiteboard. Julia, Zoe und Aylin haben ihr ein Stück Bank freigelassen. Die Lehrerin sitzt einen Moment still, legt dann ihre Hände mit einem kleinen Ruck auf die Beine und sagt dann mit lauter Stimme, dass sie gerne anfangen möchte. Dabei ist ihr Kopf etwas nach oben gekippt und ihr Blick geht in Richtung Elyas und Tarik. Zudem nennt sie Elyas Namen und sagt immer noch mit lauter Stimme aber bittend, dass er die Tür der Klasse schließen soll, sie wolle gerne starten. Elyas sagt mit Blick zur Lehrerin gerichtet, dass er glaubt, dass noch Kinder draußen sind. Die Lehrerin schaut ihn mit genervt wirkendem Blick an, schnauft aus und fordert ihn auf, dass er die Kinder reinholen soll. Elyas verlässt zügig den Raum.

Durch das Schließen der Verbindungstür wird deutlich, dass die Lehrerin nun ein erstes Anzeichen für das folgende Unterrichtsgeschehen kenntlich macht. Sie schränkt somit die Bewegung zwischen den beiden Klassen ein und schafft eine räumliche Grenze zur Nebenklasse. Auch die Lehrerin erscheint erst circa 2 Minuten nach dem Gong in den rituell verabredeten Sitzkreis, was eine gemütliche Bewegung der Schüler dorthin begründen könnte. Das Einnehmen des reservierten Sitzplatzes für die Lehrerin, der mittig vor dem Whiteboard und für alle gut sichtbar und zentral ist, gibt ein weiteres Zeichen, dass der Unterricht nun startet. Durch ihre ruckartige Handbewegung auf die Oberschenkel macht sie durch ein akustisches Signal auf sich aufmerksam, bevor sie Verhaltenserwartungen an die Kinder ausspricht. Zudem adressiert sie namentlich Elyas und Tarik, die sich noch nicht zum rituell verabredeten Sitzkreis bewegt haben. Zudem scheint insbesondere die Aufforderung an Elyas, die Tür zu schließen, ein weiteres Kriterium zu sein, welches zur Herstellung von Unterrichtsatmosphäre dient. Elyas scheint bezüglich der Aufforderung verwirrt zu sein und nicht zu wissen, ob er trotz der Abwesenheit von Devin dies ausführen soll. Auch nennt er Devins Namen nicht und verfasst seine Aussage verallgemeinert im Plural. Dies deutet ebenfalls auf ein freundschaftliches oder peerkulturelles Verhalten hin. Die Ruhe der Lehrerin scheint langsam in eine genervte und fordernde Haltung hinüberzugehen.

Die Kinder im Sitzkreis unterhalten sich noch zu einem großen Teil oder spielen mit ihren Federmäppchen. Die Lehrerin hebt die Hand, legt Ring- und Mittelfinger an den Daumen und streckt den kleinen Finger und den Zeigefinger nach oben („Stillezeichen“). Einige Kinder adaptieren das Zeichen. Manche legen zusätzlich den Zeigefinger an die Lippen und schauen redende Kinder auffordernd an. Die Lehrerin zählt Namen der Kinder, die noch reden mit einem kühlen Ton auf. Ein paar Kinder nennen ebenfalls die Namen, dies tun sie mit angehobener und ermahnender Stimme. Manche nennen auch ein „Oh“ davor oder klopfen sich auf das Bein. Nacheinander verstummen die Kinder und der Blick richtet sich auf die Lehrerin. Die Lehrerin senkt den Arm und sagt mit neutraler Stimme: „Wir wollen heute mit der Stationenarbeit zum Klima weitermachen.“

Die Kinder im Sitzkreis zeigen zum Teil durch ihre Gespräche noch pausentypischen Verhalten. Durch das Stillezeichen macht die Lehrerin deutlich, dass sie gerne Ruhe hätte und somit auch, dass Gespräche nun nicht mehr gestattet sind. Durch das Stillezeichen entwickelt sich eine schrittweise einkehrende Ruhe. Andere Kinder, die nach diesem weiterreden und eventuell das Zeichen durch seine rein visuelle Komponente nicht wahrgenommen haben oder noch für sie wichtige Konversationen führen wollen, werden namentlich zunächst nur durch die Lehrerin ermahnend adressiert. Diese Disziplinierungsmaßnahmen werden nun jedoch auch von den Schülern übernommen. Während die Lehrerin eher einen ruhigen aber dennoch ermahnende Ton anstrebt, nennen die Kinder mit weniger Nachsicht die Namen ihrer Mitschüler. Sie versuchten durch eine geräuschvolle Strategie ihre Mitschüler zur Ruhe zu bewegen. Nacheinander scheinen aber alle Kinder das Zeichen und die Aufforderungen wahrzunehmen und auch auf diese zu reagieren, sodass die Lehrerin das Thema der Stunde verkündet.

Fazit

Zusammenfassend lassen sich einige Aspekte dokumentieren, die in der im Vorfeld beschriebenen Situationen Kennzeichen einer Schwellenphase sind. Die Situation beschreibt das Ende der Frühstücksphase durch den Dong bis zum Anfang des Unterrichts, der durch die Lehrerin im Sitzkreis eingeleitet wird. Die zwischenliegende Zeit kann weder als Pause noch Unterricht konnotiert werden. Wie bereits auch bei Wagner-Willi (vgl. 2018, S. 58) beschrieben, ist in der Phase eine Art Durcheinander und Regellosigkeit spürbar, die sowohl auf der Vorder- als auch Hinterbühne aufgeführt wird. Durch die Lehrperson, die vorerst keine Interaktion zu den Schülern anstrebt, kann das Klassenzimmer als Hinterbühne gekennzeichnet werden. Im späteren Verlauf und nach der Umpositionierung der Lehrkraft wechselt jedoch das Klassenzimmer langsam zur Vorderbühne, insbesondere der Sitzkreis ist nun im Fokus. Der Flur, der von einem Jungen genutzt wird, kann nun durch z.B. die Ruhe und Abschirmung von Blicken als Hinterzimmer zur Unterrichtsvorbereitung genutzt werden. Es wird ebenfalls sichtbar, dass die Schwellenphase durch zeitliche, räumlich-materielle und soziale Strukturen geprägt ist (vgl. Wagner-Willi 2005, S. 284; Gröhlich & Wagner-Willi 2001. S. 122). Auch wenn die Übergangsphase nicht immer zeitlich terminiert ist, besitzt sie eine Spanne, in der Unterrichtsvorbereitungen getroffen werden müssen, um nicht weiter im öffentlichen Raum diszipliniert oder eventuell gar sanktioniert zu werden. Der „Unterrichtsstart“ wird gemeinsam hervorgebracht, indem verschiedene räumliche und akustische Signale erfolgen, beispielsweise die Positionierung im Sitzkreis. Des Weiteren werden auch räumlich-materielle Strukturen sichtbar durch zum einen die Anregung von Bewegung, durch das Wegpacken der Pausengegenstände und dem Treffpunkt Sitzkreis. Zum anderen wird sie aber auch im Vergleich zur Pause räumlich eingeschränkt, durch das Schließen der Tür zur Nebenklasse und später auch zum Flur. Zudem ändern sich auch die benötigten bzw. erlaubten Requisiten. Die für die Frühstückspause primären Dosen und Flaschen müssen wieder in die Schultaschen, aber auch andere Pausendinge wie Karten verstaut werden. Auch die soziale Struktur des Unterhaltens der Peerkulturen werden in der Schwellenphase stark genutzt, dies ist vor allem durch eine Gleichgeschlechtlichkeit geprägt und muss vor Unterrichtsbeginn eingestellt werden. Diese Ebenen zeigen jedoch gleichzeitig, dass Kinder ihre peerkulturellen Interessen zum Teil  nicht in der zeitlich vorgegebenen Struktur beenden können und daher eine Art Spannungsfeld zwischen ihren Interessen, d.h. konjunktiven Erfahrungsräumen und den schulischen Anforderungen herrschen. Beispielsweise zeigen das Behalten der Karten sowie das Weiterführen von Unterhaltungen Anzeichen für ein hinüberretten wollen von peerkulturellen Interessen in die Phase Unterricht (vgl. Wagner-Willi 2005, S. 294). Unterschiedliche Umgangsweisen mit der Schwellenphase sind auf verschiedene konjunktive Erfahrungsräume, Einstellungen und dem Habitus zurückzuführen. Weitere Forschungsaspekte in diesem Kontext sollten das Vertiefen der lebensweltlichen Bedürfnisse von Kindern im Schulalltag in Bezug auf die zeitliche, räumlich-materielle und soziale Struktur sein, um diese besser in den Schulkontext einbetten zu können. Ein freies Lernsetting ermöglicht den Kindern peerkulturelle Bedürfnisse und Aspekte des Unterrichts zu verbinden. So sollten freie Lernsettings, wie es in diesem der Fall ist, auch die Schwellenphase bzw. den Unterrichtseinstieg mitdenken.

Literaturverzeichnis

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Wagner-Willi, M. (2005). Kinder-Rituale zwischen Vorder- und Hinterbühne. Der Übergang von der Pause zum Unterricht. Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften.

Wagner-Willi, M. (2018). Rituelle Praktiken auf den schulischen Vorder- und Hinterbühnen. In J. Brühlmann & Conversano D. (Hg.), Rituale an Schulen. Wirksam und unterschätzt (S. 58-63). Zürich: LCH Verlag.

[1] In dieser Arbeit wird im Folgenden, aus Gründen der Übersichtlichkeit, nicht zwischen dem weiblichen und männlichen Geschlecht unterschieden. Selbstverständlich inkludiert die männliche Form in dieser Arbeit auch die weibliche.

Zur Rollenaddressierung von Studierenden im Praxissemester (Anonym)

Diese Arbeit ist aus Gründen des Datenschutzes anonym veröffentlicht.

Inhalt

  1. Praxissemester und Unterrichtsanfang, rituelle Übergänge? – Fachliterarischer Bezug
  2. Mein methodisches Vorgehen
  3. Doppelrolle: Ethnograf und Praxissemesterstudent – Reflexion
  4. Beschreibung der Lernkultur der Klasse 3b
  5. Praxissemesterstudent in Klasse drei – Dichte Beschreibungen
  6. Fazit – Zusammenfassung
  7. Literatur

1.     Praxissemester – Fachliterarischer Bezug

Wagner-Willi (2018) versteht den Übergang von Pause zu ‚Unterricht‘/die Phase des Unterrichtanfangs als liminale Schwellenphase nach dem Ritual- und Sozialforscher Victor Turner.[1] Es ist ein komplexes, dynamisches Geschehen/ ein interaktiver Prozess verschiedener asymmetrischer Akteure mit unterschiedlichen Interessen, welcher vom Ausführen verschiedener Mikrorituale geprägt ist.[2] Während in Peer-Aktivitäten einiger die Pausendynamik weiterläuft, bereiten sich andere auf den folgenden Unterricht vor, um den Unterrichtsanfang mit zu konstituieren.[3] Die Pausendynamiken stehen im asymmetrischen Verhältnis zu den Aktivitäten der Lehrkraft.[4] Diese hat in der Phase das Ziel, den Übergang zum Unterricht schnell zu vollziehen und eine unterrichtliche Ordnung zu etablieren.[5] Da ‚Pause‘ und ‚Unterricht‘ unterschiedlichen institutionellen Regeln sowie ungeschriebenen Vorgaben unterliegen,[6] befinden sich die Beteiligten in einem rituellen Dazwischen, was sie als Schwellenwesen nach Turner definiert.[7]

Wie Wagner-Willi Turners Ritualtheorie nutzt, um die Schwellenphase des Unterrichtanfangs zu beschreiben, sieht Kling (2018) das Praxissemester von Lehramtsstudierenden als Paradebeispiel eines rituellen Übergangs nach dieser Theorie Turners.[8] So intendieren die Studierenden im Praxissemester einen Rollenwechsel vom Lernenden zum Lehrenden, bekleiden jedoch in der schulischen Hierarchie den Status von Auszubildenden.[9] Sie sind in einer ambivalenten Situation, einem undefinierten ‚Dazwischen‘, da sie weder SuS, noch vollwertig ausgebildete Lehrkräfte sind.[10] Dies führt zu Rollendifferenzen und Unsicherheit.[11] So führen einerseits das eigene ‚Unterrichten‘ und andererseits ihre Außenwahrnehmung zum positiven Erleben des Rollenwechsels vom Lernenden zum Lehrenden.[12] Die Außenwahrnehmung der Studierenden ist bestimmt vom Verhältnis zum Mentor/zur Mentorin, zum Kollegium und zur Schülerschaft, wovon letztere zum einen durch konformes Erfüllen von Aufträgen der Studierenden, zum anderen durch persönliches Feedback Einfluss auf ihre Rollenwahrnehmung besitzen.[13] So ist für Studierende diese liminale Phase nach Turner geprägt von Paradoxie und Mehrdeutigkeit, aber auch von ihrer eigenen Kreativität.[14]

Liminal entities are neither here nor there; they are betwixt and between the positions assigned and arrayed by law, custom, convention and ceremonial.”, Victor W. Turner.[15]

 

2.     Mein methodisches Vorgehen

Im Rahmen des Praxissemesters habe ich an der Schule ein Studienprojekt durchgeführt und dabei das Verfahren der ethnografischen Feldforschung angewandt. Historisch aus der Ethnologie hervorgegangen, wurden in der Ethnografie ab dem frühen 20. Jahrhundert fremde Völker und deren soziales Leben teilnehmend beobachtet und beschrieben.[16] Heute wird die Ethnografie zusätzlich genutzt, um die eigene Kultur zu befremden und soziale Mikroprozesse offenzulegen, diese zu verstehen.[17]

Die ethnografierende Person nimmt dafür an der sozialen Praxis der zu ethnografierenden Gemeinschaft teil, um Atmosphäre und Gefühle detailliert beobachten und beschreiben zu können. Sie nimmt zudem eine forschend-distanzierte Haltung ein, um die erlebten und beobachteten Prozesse befremden zu können.[18] Ein situationsbestimmendes Handeln (bspw. unterrichten) ist für eine detaillierte Beobachtung dabei eher hinderlich. Beobachtetes wird in Feldnotizen festgehalten und später zu „dichten Beschreibungen“ ausgearbeitet. Diese zeichnen sich durch ihren hohen Grad an Detaillierung („Beobachtung in Zeitlupe“[19]) und zugleich intensiver Nähe zum sozialen Geschehen aus („Versprachlichung des sozialen Geschehens“[20]).[21] Die dichten Beschreibungen werden in einer reflexiv-analytischen Forscherhaltung unter Distanzierung von subjektiver Vertrautheit durch bspw. offene Codierung analysiert, identifizieren relevanter Textstellen und Kontextualisierungen.[22] Dabei sind vorschnelle Schlüsse und Zuschreibungen zu vermeiden. Das Ergebnis kann das Entdecken von Skurrilitäten und Erkenntnissen in uns vermeintlich vertrauten sozialen Prozessen sein.

Die ehtnografische Feldforschung habe ich, wie oben beschrieben, im Feld einer Grundschule durchgeführt, um Mikroprozesse im alltäglichen Unterrichtsgeschehen der schulischen Akteure (vornehmlich SuS) zu untersuchen. Zunächst habe ich Unterrichtsanfänge am Morgen vor und in der Weihnachtszeit ethnografisch beobachtet und durch Feldnotizen festgehalten. Intendiert war ein Vergleich von Unterrichtsanfängen zur Weihnachtszeit und „normalen“ Unterrichtsanfängen. Nach dem Ausarbeiten der ersten Beobachtungen zu dichten Beschreibungen faszinierte mich eine Beobachtung so sehr („Hier ist ja nur Herr Bruch“), dass ich die Thematik dieser Arbeit auf den Umgang der Lernenden mit Praxissemesterstudierenden und die damit verbundenen Rollenzuschreibungen der kindlichen Akteure abänderte. Somit erfolgten der Themenwechsel und die Fokusänderung des ethnografischen Blicks auf die Beobachtungen erst nach Abschluss der Beobachtungen. Die beobachtete Schwellenphase von „Nicht-Unterricht“ zu Unterricht war der neuen Thematik nicht abträglich, da mir die schulischen Akteure außerhalb eines konkreten und bestimmenden unterrichtlichen Kontextes begegneten. Entsprechend der leitenden Fragestellung, „In welcher Rolle werden Praxissemesterstudierende von Lernenden adressiert?“, konnte ich weitere repräsentative Beobachtungen für die dichte Beschreibung auswählen. Die analytische Dimensionierung erfolgte in der dritten Person Singular, um meine Rollen „Praxissemesterstudent“ und „Ethnograf“ besser trennen und in dieser Befremdung reflektiert analysieren zu können.

 

3.     Doppelrolle: Ethnograf und Praxissemesterstudent – Reflexion

Zur Rolle eines Praxissemesterstudierenden gehören zwei primäre Ausprägungen, welche zusammen den Wissenszuwachs von Studierenden im Praxissemester garantieren sollen. Einerseits ist dies die Rolle der lehrenden Person im Halten eigens geplanten und durchgeführten Unterrichts, andererseits die Rolle der lernenden/der forschenden Person in der Durchführung eines Forschungsprojekts, bzw. Beobachtung des Unterrichts von Mentoren und Mentorinnen.

Zum Zeitpunkt meiner ethnografischen Beobachtungen habe ich bereits meine Unterrichtsbesuche absolviert und die Klasse diverse Male vertretungsweise, ohne Begleitung unterrichtet. Sie haben mich also nicht nur in der Rolle des Beobachters oder des Tandemlehrers erlebt, sondern auch in der Rolle des Lehrenden. Durch Ausfälle im Kollegium konnte ich die Rolle des Lehrenden häufig einnehmen, was mit der Zeit zur Akzeptanz dieser Rolle seitens der Schülerschaft geführt hat.[23]

In der Rolle des Ethnografen habe ich mich häufig auf einen festen Sitzplatz neben der Tafel in Front der Klasse zurückgezogen. So hatte ich alles im Blick und konnte die Emotionen der Lernenden erkennen. Dabei unterschied sich mein beobachtendes Rollenverhalten als Ethnograf nicht signifikant von meiner Rolle als lernender Praxissemesterstudent. In allen Stunden, welche meine Mentorin gehalten hat, saß ich zu Unterrichtsbeginn mit meinem Notizblock im Raum und habe mir gelegentlich etwas notiert, bis sie mich in der Arbeitsphase durch Betreuung einzelner Lernender oder in sachliche Erklärungen involviert hat. Somit konnten weder die Lernenden noch die Lehrerin feststellen, ob ich gerade als Unterricht beobachtender Praxissemesterstudent oder Ethnograf agiert habe. Sie waren mein beobachtendes Verhalten gewöhnt und agierten in den ethnografisch festgehaltenen Szenen authentisch.

 

4.     Beschreibung der Lernkultur der Klasse 3b

Mein Praxissemester habe ich an einer dörflichen Grundschule durchgeführt. Ich verbrachte die meiste Zeit in der Klasse 3b, der Klasse meiner Mentorin. Dort habe ich zudem die Beobachtungen durchgeführt. Die 17-köpfige Klasse bestand aus neun Mädchen und acht Jungen. Zwei Kinder haben Migrationshintergrund, ein Kind wiederholte die dritte Klasse. Es herrschte vergleichsweise hohe Homogenität. Die Lerngruppe arbeitete überaus ruhig und fleißig.

Hervorzuheben ist die Präsenz der Klassenlehrerin in der Klasse. Bei ihrer Anwesenheit herrschte hohe Unterrichtsbeteiligung bei überdurchschnittlicher Ruhe. Bei mir oder anderen Lehrenden war die Klasse lebhafter und lauter. Die Präsenz der Klassenlehrerin zeichnete viele Kontrollhandlungen, aber auch privat anmutende, lustige (Unterrichts-) Gespräche aus. Darum waren frontale Unterrichtssituationen und -gespräche im Sitzkreis z.B. zu Unterrichtsbeginn oder organisatorischer Natur alltäglich. Meine Vorstellung in der Klasse fand demnach auch im Sitzkreis statt. Vor allem die Sympathien der Mädchen habe ich schnell gewonnen, was sich z.B. an Fragen, wann ich wieder unterrichte, oder an Bildergeschenken feststellen ließ. In den Arbeitsphasen habe ich häufig die vier „schwächeren“ SuS unterstützt, was zu einem schnelleren Kennenlernen führte. So hat mich die Klasse von Anfang häufig an in Begleitung ihrer Klassenlehrerin erlebt. Darum lässt sich fragen, welche Auswirkungen dieses regelmäßige Auftreten zu zweit auf die Rollenzuschreibung der SuS an mich hat.

Der Klassenraum der 3b war groß und hatte auf einer Seite eine lange Fensterfront. Im Eingangsbereich war z.Z. der Beobachtung die Garderobe der Klasse, da ihr eigentlicher Garderobenbereich renoviert wurde. Gegenüber des Eingangs standen Bänke zu einem Sitzkreis zusammengestellt. An den Wänden im genannten Bereich verteilt standen leere Tische mit Stühlen für bspw. Kinder aufgeteilter Klassen oder Variabilität in der Arbeitsphase. Diesem hinteren Bereich des Klassenraums gegenüber lagen drei Gruppentische a sechs Personen ausgerichtet auf eine Tafel. Links von der Tafel befand sich der Schreibtisch meiner Mentorin, ihr hauptsächlicher Aufenthaltsort während des Unterrichts. Rechts von der Tafel war mein Sitzplatz an einem kleinen Tisch. An den Wänden verteilt standen Schränke mit Materialien wie einer kleinen Klassenbibliothek.

 

5.     Praxissemesterstudent in Klasse drei – Dichte Beschreibungen

 

Bei den folgenden Beobachtungen handelt es sich um Begegnungen in oder kurz nach der Übergangsphase von „Pause“ zum Unterrichtsanfang der dritten Unterrichtsstunde.


Beobachtung 1:
           

Es gongt um 9.55. Ich sitze bereits auf meinem üblichen Beobachterplatz neben der Tafel. Der Klassenraum ist leer. „Ich bin als erste in der Klasse!“, hallt es aus dem Flur herein. Drei Mädchen der dritten Klasse kommen in den Klassenraum gerannt, voran ein blondes Mädchen. „Hier ist ja nur Herr Bruch!“ (meint mich), ruft das blonde Mädchen bei einem Rundumblick durch den Klassenraum. Die Klassenlehrerin der dritten Klasse, welche die nächste Stunde halten wird, war noch nicht zu sehen.

„Hello!“, „Hello!“, „Hello!“ rufen mir die drei hereingekommenen Mädchen abwechselnd zu, während sie am Ende des Klassenraums ihre Jacken ausziehen und ihr Straßenschuhwerk zu Hausschuhen wechseln. Sie lachen dabei und grinsen mich an. Ich grinse zurück. „Wir haben jetzt SU!“, sagt nun eines der Mädchen. Die drei wenden sich ab und ich notiere meine Beobachtungen.

 

Analytische Dimensionierung 1

Die drei Mädchen, die zuerst den Klassenraum betreten, zeigen durch einen klassischen Peer-Group-Wettkampf („Ich bin als erste in der Klasse!“) zunächst spielerisches Pausenverhalten. Sie tragen gewissermaßen das Spiel vom Pausenhof in den Klassenraum, welchen zu erreichen als begehrenswert gilt.
„Hier ist ja nur Herr Bruch!“ unterbricht diese Spieldynamik der Mädchen für einen Moment. Der Klassenraum wird kurz unter die Lupe genommen. Es ist ein Anblick, der sich den Kindern nur selten bietet, da sie nur selten so allein im Klassenzimmer sind. Die meiste Zeit sind mehr SuS und die Klassenlehrerin anwesend.
Es fragt sich, was die Mädchen „als erste in der Klasse“ bei ihrem Blick durch die Klasse erwarten. Das „nur“ in ihrem Ausruf deutet daraufhin, dass das Mädchen mehr erwartet hat als den Praxissemesterstudenten. Zum einen könnte sie ihn in Begleitung seiner Mentorin/ihrer Klassenlehrerin erwartet haben, dann wäre das „nur“ als „alleine“ oder „ohne unsere Lehrerin“ zu verstehen. Sie könnte alternativ andere Kinder im Raum erwartet haben, dann wäre das Spiel „Ich bin als erste in der Klasse!“ nur auf die Peer-Group der drei Mädchen begrenzt und „nur“ als „alleine“ oder „als einziger“ gemeint.
Darüber hinaus könnte „nur“ auf die Rolle des Studenten als Praktikant in der Klasse bezogen sein. Dann wäre die Aussage als Hinweis an die anderen Mädchen zu verstehen, dass sich keine vollwertige Lehrkraft im Raum befindet. Sie könnten ihr Peergroup- und Pausenverhalten weiterhin aufrechterhalten, müssten es nicht zugunsten eines schulisch-unterrichtlichen (Unterricht vorbereitenden) Verhalten aufgeben. Dies stünde im Kontrast zu einer analysierten ethnografischen Szene von Kalthoff/Kelle (2000) an der Bielefelder Laborschule (allerdings einer offeneren Schulform).Hausschuhe tauschen,[25] rufen sie dem Studenten abwechselnd „Hello“ entgegen und grinsen. Entweder handelt es sich bei dem „Hello“ um eine Herausforderung, um ein Austesten, wie der Student in seiner Rolle als Lehrkraft reagiert, oder sie sehen ihn mehr als Spielpartner und beziehen ihn in ihr Spiel mit ein. In beiden Fällen wird die Peerkultur der Mädchen aufrechterhalten und der Student nicht als vollwertige Lehrkraft wahrgenommen. Hier bekäme der Praxissemesterstudent entweder durch seine „Austestungswürdigkeit“ die Rollenzuschreibung eines Auszubildenden/eines Berufs-anfängers oder würde als entferntes Peer-Mitglied und nicht in der Rolle eines Lehrenden adressiert, welche er im Praxissemester eigentlich anstrebt.
Sein Grinsen als Antwort scheint den Mädchen zu genügen (entweder als Resultat des Austestens oder als Peerbegrüßung), denn sie wenden sich der Thematik zu, welches Unterrichtsfach wohl als nächstes unterrichtet wird.

 

Beobachtung 2:

(Kurze Zeit später nach der oben beschrieben Szene)

Der Rest der Klasse ist vom Pausenhof hereingekommen und hat sich wie die drei Mädchen umgezogen. Die Lehrkraft ist weiterhin nicht anwesend und ich sitze auf meinem Beobachterplatz. Viele Kinder sitzen bereits auf ihren Plätzen und reden mit ihren Sitznachbarn. Andere stehen in Grüppchen im Klassenraum verteilt und reden heiter. Ich kann nicht heraushören, worüber sie reden, denn der Lautstärkepegel ist fortwährend hoch. Drei Mädchen eines Gruppentisches haben ihre Essensboxen vor sich stehen und bedienen sich an Brot, Obst- und Gemüsestreifen.
Ein Mädchen, welches an einem Tisch in meinem Blickfeld sitzt, wendet sich zu mir um. Sie rückt einige Zentimeter vom Tisch ab, macht sich groß (im Sitzen) und fragt mit erhobener Stimme: „Was machen wir jetzt?“
In diesem Moment betritt meine Mentorin – die Klassenlehrerin der Klasse 3 – den Raum, eine Kaffeetasse und einen Stapel Papier in den Händen. Kinder, welche sie sehen, hören auf zu reden. Es wird schnell leise. Das genannte Mädchen dreht sich um und wendet sich von mir ab. Ich brauche nicht mehr zu antworten.

 

Analytisch Dimensionierung 2

Die Klasse befindet sich am Beginn eines Unterrichtsanfangs. Alle sind im Klassenraum anwesend und gemäß den institutionalisierten Bedingungen des Klassenraumes und der ‚Unterrichtsordnung‘ umgezogen. Dem Pausenverhalten folgend sind verschiedene Peergroup-Gespräche im Raum verteilt, da die Lehrkraft noch nicht anwesend ist.
Ein Mädchen löst sich nun aus der Peergroup-Aktivität und wendet sich dem ansonsten unbeteiligten Praxissemesterstudenten zu, sucht mit Körpersprache und Stimm-lautstärke seine Aufmerksamkeit. Die Frage des Mädchens betrifft das Thema der folgenden Stunde. Mit dem Wissen um das Unterrichtsfach kann sie sich bspw. durch Auslegen des benötigten Materials auf den Unterricht vorbereiten und könnte so einen schnelleren Unterrichtsanfang mitermöglichen.

Sie traut dem Praxissemesterstudenten in seiner Rolle das Wissen über das folgende Unterrichtsfach zu. Als die Klassenlehrerin den Raum betritt, wendet sich das Mädchen ab, nimmt die Ruheposition des Sitzens ein, spricht nicht mehr und wendet der Lehrerin ihre volle Aufmerksamkeit zu. Das ausgeführte Mikroritual bereitet so den Unterrichtsanfang mit vor. Das folgende Unterrichtsfach ist irrelevant geworden.
So stellt das Mädchen das Mitkonstituieren des Unterrichtsanfangs höher als die Konversation mit dem Studenten. Ihre Aufmerksamkeit gilt sofort der Lehrerin, ordnet ihr gemäß der vorherrschenden Hierarchie höhere Relevanz zu als dem Studenten. Diese Relevanz erhält die Lehrerin darüber hinaus dadurch, dass sie mit dem Eintritt in die Klasse den Unterrichtsanfang symbolisiert (Stapel Papier im Arm).[26] Sie wird den Unterricht halten und nicht der Student. So muss die vorgenommene Hierarchisierung nicht zwingend auf die Rolle des Praxissemesterstudenten bezogen sein. Interessant wäre es, eine Szene hinzuzuziehen, in der die Lehrerin und der Praxissemesterstudent ihre Unterrichtsrollen tauschen (sie beobachtet, er kommt herein und unterrichtet).

Beobachtung 3:

Die Kinder der Klasse 3b sitzen kurz nach Unterrichtsanfang auf Stühlen an drei Gruppentischen im Raum verteilt und sind vollends auf die Lehrerin fixiert, welche in Front der Klasse an ihrem Schreibtisch gelehnt steht, mit einem Stapel Hefte im Arm. Es herrscht absolute Stille. Alle Blicke sind auf die Lehrerin gerichtet. Man könnte eine Nadel zu Boden fallen hören. Einige Kinder wirken angespannt.

Nach einigen Worten einer Ansprache, beginnt die Lehrerin herzhaft und lange zu husten. Am Ende des Raumes erscheinen vier neue Kinder mit Ranzen und Arbeitsheften in den Händen in der Tür. Erst schauen sie zur immer noch hustenden Lehrerin und dann zu mir, der auf einem Stuhl neben der Tafel sitzt. Als ich die Kinder sehe, stehe ich auf und bewege mich auf sie zu. Das vorderste Mädchen sagt zu mir: „Wir sind aufgeteilt!“, die anderen schauen mich erwartungsvoll an. Währenddessen nimmt der Rest der Klasse die Kinder kaum wahr und schaut weiterhin die hustende Klassenlehrerin an. „Es kommen noch zwei!“, sagt das Mädchen. Ich zeige erst auf einen Gruppentisch, dann auf einen Tisch an der Wand (beide am Ende des Raumes im Rücken der Klasse und sage ruhig und leise: „Ihr könnt euch hier an die freien Tische setzen.“ Ohne zu zögern setzen sich die Neuankömmlinge an die ihnen zugewiesenen Tische und fangen an, in ihren Arbeitsheften zu arbeiten. Ich setze mich wieder zurück auf meinen Sitzplatz neben der Tafel. Die Lehrerin hat unterdessen aufgehört zu husten und macht mit ihrer Ansprache weiter. Die Klasse ist weiterhin auf die Lehrkraft fixiert.

 

Analytische Dimensionierung 3:

Die SuS der Klasse befinden sich alle in der Ruheposition des Sitzens und sind auffallend leise und auf die Lehrerin fixiert. Sie stehen in einer Erwartungshaltung und räumen dem Folgenden und der Lehrerin damit Relevanz ein. Selbst als die Lehrerin anfängt zu husten und sich das Erwartete verzögert, bleiben die SuS in ihrer Position.
Mit dem Eintreten der SuS einer anderen Klasse tut sich ein Parallelgeschehen auf. Sie betreten leise den Raum und suchen nach einer leitenden Person, die sie in die bestehende Unterrichtsordnung integriert. Sie fixieren zuerst die zentrale Person im Raum, welche die meiste Aufmerksamkeit genießt (Lehrerin). Im Gegensatz zu der sitzenden Klasse wenden sich die Neuankömmlinge der nächstrelevanten Person zu, nachdem sie erkannt haben, dass ihre erste Wahl z.Z. nicht zur Verfügung steht. In der Hierarchie im Raum kommt der beobachtende Student der Lehrerin am nächsten, wird deswegen mit Blicken fixiert. Durch diese Wahl und die Verhinderung der leitenden Lehrkraft, nimmt sich der Student des Problems an und kommt näher, damit die vorherrschende Unterrichtsordnung nicht gestört wird. Die Integration der Kinder in die Unterrichtsordnung durch Zuweisung an leere Tische erfolgt aus erprobter Routine. Auch die Neuankömmlinge handeln routiniert, befolgen die Anweisung und hinterfragen sie nicht. So wurde die Einschätzung der Neuankömmlinge, dass auch der Praxissemesterstudent sie in die Unterrichtsordnung integriert nicht enttäuscht. Sie nehmen eine unterrichtsordnungskonforme Arbeitshaltung ein, ohne dass diese einer Anweisung bedarf. Mit der fortfahrenden Ansprache der Lehrerin geht das Unterrichtsgeschehen nahezu unbeeinflusst weiter.

 

Beobachtung 4:

(Wie in Beobachtung 2 sind die Kinder bereits im Klassenraum und die Lehrerin nicht zu sehen. Da sich die Szenen sehr ähneln, wird auf die nähere Grundbeschreibung verzichtet)

Ich sitze auf meinem Beobachterstuhl neben der Tafel und notiere meine ersten Eindrücke. Ein Mädchen vom Gruppentisch vor mir löst sich aus einem Gespräch mit ihrer Sitznachbarin, steht auf und kommt zu mir rüber mit ihrem Mäppchen in der Hand. „Soll ich dann gleich Mathe machen?“, fragt sie mich. Ich weiß, dass sie tags zuvor bei einer Klassenarbeit in Mathe gefehlt hat. Ich ziehe jedoch die Schultern hoch, da mich die Klassenlehrerin nicht über ihre Pläne für die kommende Stunde informiert hat.
„Ok.“, antwortet das Mädchen emotionslos, setzt sich wieder auf ihren Platz und richtet ihren Blick auf die Klassentür.

 

 

Analytische Dimensionierung 4:

Wie in der analytischen Dimensionierung der zweiten Szene, löst sich hier ein Mädchen aus der Peergroup, um dem Praxissemesterstudenten eine organisatorische Frage zu stellen, welche die folgende Stunde betrifft. Eine zielführende Antwort könnte der Schülerin dabei helfen sich durch Mikrorituale auf die Klassenarbeit vorzubereiten (ihre Ausgangslage zu optimieren). Sie traut dem Praxissemesterstudenten entweder in seiner Lehrkraftrolle oder durch Involvierung der Mentorin (Praktikantenrolle) zu, über eine bewertungsrelevante Klassenarbeit/den Nachschreibtermin Bescheid zu wissen und darüber zu entscheiden. Außerdem könnte der Praxissemesterstudent die Rolle der Aufsichtsperson einnehmen (Hilfstätigkeit), während das Mädchen die Arbeit nachschreibt und die Lehrerin den Unterricht hält.
Der Student reagiert mit einer nonverbalen Geste der Ratlosigkeit (Schultern hochziehen). Diese erfolgt aus zwei Gründen. Die Mentorin, welche die Klassenarbeit gestellt hat, hat ihn nicht über Pläne des Nachschreibtermins informiert. Zudem schreibt sich der Student in seiner Rolle nicht die Entscheidungsgewalt über den Nachschreibtermin zu.
Die Schülerin reagiert emotionslos. So ist eine großartige Bewertung ihrerseits auf die Antwort des Praktikanten nicht auszumachen. Einerseits könnte sie enttäuscht sein, keine gewünschte Antwort bekommen zu haben, andererseits könnte sie mit dem Unwissen des Praktikanten gerechnet haben. Im letzteren Fall bekäme die Frage nach dem Nachschreibtermin einen Charakter des Austestens. Mit dem Blick auf die Tür nimmt sie eine Wartehaltung ein. Diese könnte sich auf das Eintreten der nächstkompetenteren Person beziehen, der Lehrerin.

 

6.     Fazit – Zusammenfassung

 

Die Schwellenphase von Pause zu Unterrichtsanfang wird von einigen SuS dazu benutzt, Informationen über die folgende Unterrichtsstunde zu erhalten, um sich mit diesem Wissen auf den Unterricht im Vollzug von Mikroritualen vorbereiten zu können.[27] Andere erholen sich von der Pause, essen, unterhalten sich in Peer-Gesprächen oder halten auf anderen Wegen ihre Peer-Kultur aufrecht.[28] Das Übertreten der Türschwelle zum Klassenraum durch die Lehrkraft ist hier ein Signal für Unterrichtsbeginn und löst zum Teil unterrichtsordnungskonformes Handel aus.[29]

Für die wenigen Szenen kann zusammenfassend festgestellt werden, dass dem Praxissemesterstudent einerseits durchaus Attribute einer vollwertigen Lehrkraft zugeordnet werden: Wissen um folgende Unterrichtsstunde, Wissen über Klassenarbeit, Koordination/Integration in bestehende Unterrichtsordnung. Dem Gegenüber stehen Handlungen, welche ihn von der vollwertigen Lehrkraft deklassieren: Adressierung als nicht vollwertige Lehrkraft und Aufrechterhaltens der Peeraktivität,

Weiterhin zu erforschen wären Szenen, wie Beobachtung 1 „Hier ist ja nur Herr Bruch“, um mehr Eindeutigkeit über diesen Ausspruch zu erreichen und die Verhältnisbestimmung von Lernende und Praxissemesterstudent in der Pause zu vertiefen. Darüber hinaus wären Situationen wie in Beobachtungen 2, 3 und 4 interessant, in denen der Praxissemesterstudent die unterrichtende Lehrkraft der Stunde ist und seine Mentorin die Rolle der Ethnografin/Beobachterin innehat. So wurde „Unterrichten“ durchgehend als positiver Faktor für den subjektiven Rollenwechsel von Praxissemesterstudierenden vom Lernenden zum Lehrenden wahrgenommen.[34] Falls der Unterrichtende dann zugleich Ethnograf bliebe, wäre eine Videodokumentation nötig, beginnend bevor die Kinder als schulische Akteure den Klassenraum betreten. Darüber hinaus wären Beobachtungen anderer Praxissemesterstudierender in anderen Schulen und Klassen zu diesem Thema für Vergleiche interessant. Es wäre vermehrt auf Emotionen und gezeigte Gefühle zu achten, da sie den Szenen mehr Deutungsgrundlage und tiefe verleihen. Hinzu kommt die strikte Trennung der Rollen als handelnder Praxissemesterstudent und Ethnograf. Der Status von Praxissemesterstudierenden ist bisweilen weitgehend unerforscht.

 

Literatur

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Budde, J. (2010). Inszenierte Mitbestimmung?! Soziale und demokratische Kompetenzen im schulischen Alltag. Zeitschrift für Pädagogik, 56 (3), S. 384-401.

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Košinár, J., Schmid, E. (2017). Die Rolle der Praxislehrperson aus Studierendensicht – Rekonstruktionen von Praxiserfahrungen. Beiträge zur Lehrerinnen- und Lehrerbildung, 35 (3), S. 459-471.

Lindner, D., Rosenberger, K. (2019). Ethnografisches Beobachten und Schreiben im Lehramtsstudium. Journal für LehrerInnenbildung, 19 (4), S.62-70.

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Wiesemann, J. (2011). Ethnographische Forschung im Kontext von Schule. In H. Moser (Hrsg.), Forschung in der Lehrerbildung (Professionswissen für Lehrerinnen und Lehrer, Band 10). Baltmannsweiler: Schneider-Verlag Hohengehren, S. 167-185.

[1] Vgl. Wagner-Willi, 2018, S.59.

[2] Vgl. Wagner-Willi, 2005, S.286.

[3] Vgl. Ebd.; Vgl. Juen, 2013, S.94.

[4] Vgl. Schelle 2018, S.88.

[5] Vgl. Wagner-Willi, 2018, S.59.

[6] Vgl. Kalthoff/Kelle, 2000, S.S.696ff.

[7] Vgl. Förster, 2003, S.705.

[8] Vgl. Kling, 2018, S.224.

[9] Vgl. Ebd. S.121; Kosinar/Schmid, 2017, S.465.

[10] Vgl. Kling, 2018, S.122.

[11] Vgl. Ebd. S.224.

[12] Vgl. Ebd. S.122; S.215.

[13] Vgl. Ebd. 183f.

[14] Vgl. Bräunlein, 2011, S.154ff.

[15] Turner, 1969, S.81.

[16] Vgl. Breidenstein, 2012, S.29.

[17] Vgl. Wiesemann, 2011, S.167; S170.

[18] Vgl. Lindner/Rosenberger, 2019, S.64.

[19] Breidenstein, 2012, S.36.

[20] Ebd., S.42.

[21] vgl. Lindner/Rosenberg, 2019, S.66; vgl. Wiesemann, 2011, S.178.

[22] Vgl. Lindner/Rosenberg, 2019, S.66f.

[23] Spürbar war dies für mich durch das Befolgen meiner Aufträge im Unterricht seitens der Schüler-schaft, wie es Kling (2018, S.184f.) beschreibt, bzw. Doing-Student-Reaktionen (Budde, 2010, S.386).

[24] Vgl. Kalthoff/Kelle, 2000, S.694f.

[25] Siehe Wagner-Willi, 2005, S.286.

[26] Siehe Wagner Willie, 2005, S.286.

[27] Vgl. Juen, 2013, S.94; Wagner-Willi, 2005, S.287.

[28] Vgl. Wagner-Willi, 2018, S.59.

[29] Vgl. Wagner-Willi, 2005, S.286.

[30] Siehe Szene 1: ev. Einbezug in Peer-Spiel oder Austesten von Rollenverhalten als Lehrkraft

[31] Vgl. Kling, 2018, S.224.

[32] Vgl. ebd., S.122.

[33] Vgl. ebd., S.224; S.183.

[34] Vgl. ebd., S.179.

Geschützt: Gestik und Mimik in der Kommunikation / Interaktion im Unterricht (Janika Heinzerling)

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