Peerkultur in der Schule – Eine ethnographische Analyse peerkultureller Verhaltensweisen während der Frühstückspause (Anonym)

Diese Arbeit ist aus Gründen des Datenschutzes anonym veröffentlicht.

Inhalt

  • Einleitung
  • Methodische Vorgehensweise
    • Ethnographie als methodische Vorgehensweise
    • Meine Rolle als Forscherin und die Reaktion des Feldes
  • Beschreibung der Lernkultur der Klasse
  • Dichte Beschreibungen
    • Die Situation
    • Beschreibung 1
    • Die Situation
    • Beschreibung 2
  • Analytische Dimensionierung
    • Zur 1. Beschreibung – Soziale Räume und kindliche Selbstdarstellung
    • Zur 2. Beschreibung – Spielkultur und Geschlecht
  • Fazit
  • Literaturverzeichnis

Einleitung

Schule ist geprägt durch peerkulturelle Handlungen. Der Begriff Peerkultur bezeichnet die Kultur der Gleichaltrigen, also ihre Praktiken, ihr Wissen und ihr soziales Beziehungssystem (vgl. Breitenstein, 2008, S. 945). Die Peerkultur einer Schulklasse unterscheidet sich dabei noch einmal stark von der einer Clique, Bande oder einem Freundeskreis, da ihre Zugehörigkeit unfreiwillig ist und durch staatliche Zuteilung erzeugt wurde (vgl. Bennewitz und Meier, 2010, S. 98). Die Mitglieder einer Klasse verbringen über viele Jahre einen Großteil ihrer Tageszeit miteinander (vgl. ebd.). So entwickeln sich auch im Rahmen von Schule und innerhalb eines Klassenverbandes soziale Beziehungen und Freundschaftsgruppen (vgl. Breitenstein, 2008, S. 945) und es entstehen soziale Praktiken, mit denen die Schülerinnen und Schüler1 ihre unterrichtliche Umwelt sowie ihre Beziehungen gestalten (vgl. Bennewitz und Meier, 2010, S. 98). Es bildet sich innerhalb des Klassenverbands eine eigenständige Peerkultur, die weitgehend unabhängig von schulischen Zielsetzungen ist (vgl. Breitenstein, 2008, S. 945). Dennoch befinden sich SuS während eines Schultages in einem Spannungsverhältnis zwischen den vorgeschriebenen institutionellen- und unterrichtlichen Ordnungssystemen und denen der durch die Peerkultur vorgegebenen Dimensionen (vgl. Wagner-Willi, 2005, S. 65). Besonders die Pause, als strukturschwacher Übergang zur nächsten Unterrichtsstunde, zeigt ein Spannungsfeld zwischen den Peers, der Klassengemeinschaft und der Institution, „in denen vor allem durch Ritualisierungen Grenzziehungen und Gemeinsamkeiten in Gruppen hergestelltwerden“ (Tervooren, 2001, S. 205). Peers haben innerhalb der Schulzeit Räume und Zeiten, die von ihnen eingenommen werden können. Dazu gehören insbesondere der Pausenhof und die Pausen im Allgemeinen (vgl. Heinzel, 2012, S. 183). Die Schulpausen spielen also bei der Entwicklung der Peerkultur eine entscheidende Rolle. Sie dient als Rückzugsort der SuS, in denen sie ihre Rolle als Schüler/in teilweise ablegen und intensiv mit ihren Peers in den Austausch treten können. Wagner-Willi (2018) beschreibt die Pause als eine Art Hinterbühne, die den SuS als Entlastung und zum Bilden von Gemeinschaften innerhalb der Peers dient und knüpft dabei an die Theatermetaphorik Victor Tuners an (Breitenstein, 2008, S. 948). In dem Zusammenhang wird Schule als eine offene Bühne betrachtet, auf der das Lehr-Lern- Geschehen aufgeführt wird (vgl. Wagner-Willi, 2018, S.58). Diese Bühne wird aufgeteilt in eine Vorder- und Hinterbühne, wobei die Vorderbühne den Unterricht zeigt und die Hinterbühne (z.B. Toiletten oder Pausenplätze) der Entfaltung von Subkulturen wie den Peers oder auch zum Vor- und Nachbereiten von Unterrichtssituationen dient (vgl. ebd.). Die SuS bewegen sich also während eines Schultages auf den Bühnen des Klassenraums ständig zwischen der Peerkultur und der Unterrichtsordnung (vgl. Heinzel, 2012, S.178).

Im Fokus meiner Arbeit stehen Peerkulturelle Verhaltensweisen sowie Handlungen von SuS einer dritten Schulklasse während der Frühstückspause innerhalb der Schule als ihre alltägliche Lebenswelt. Die im Folgenden aufgeführten Beobachtungen stammen aus meinem Praxissemester. Während diesem fiel mir die Frühstückspause der SuS, also eine Phase am Tag, auf, die sich von den anderen Phasen während eines Unterrichtsmorgens stark unterschied. Wichtig dabei und bei den in dieser Arbeit noch folgenden Beobachtungen, ist zu erwähnen, dass das Schuljahr von der Corona Pandemie geprägt war. Aus dieser Lage heraus gab es Besonderheiten und veränderte Regeln im Schulalltag. Durch das Hygienekonzept der Schule waren besonders die soziale Interaktion der SuS untereinander eingeschränkt. Die Pausen eigneten sich also am besten, um Peerinteraktionen zu beobachten. Die Frühstückspause hob sich in der Zeit meines Praxissemesters von den anderen Pausen deutlich ab, da die SuS während dieser Zeit ihre Mund-Nasenschutze ablegen durften. Das ermöglichte mir, als Forscherin, ein ganz neues Beobachtungsspektrum, da ich somit auch die Mimik der SuS untersuchen konnte. Zudem führte das Ablegen der Maske und das Frühstücken zu einer angenehm entspannten Stimmung, die mich in kürzester Zeit etliche Interaktionen und Handlungsformen peerkulturellen Verhaltes beobachten ließen.

Methodische Vorgehensweise

Ethnographie als methodische Vorgehensweise

Die ethnographische Feldforschung beschäftigt sich mit der Untersuchung von Interaktions- und Lebensformen, Praktiken und Ritualen sowie einer (Alltags-)Kultur (vgl. Kuhlmann, o.J.). Dieser Forschungszugang verbindet vorwiegend qualitative Forschungsmethoden, um eine (Alltags-)Kultur möglichst genau untersuchen zu können (vgl. ebd.). Der ethnographische Forschungsansatz basiert auf der im frühen 20. Jahrhundert getätigten Erkundung fremder Kulturen im Zuge der Kolonialisierung europäischer Staaten (vgl. Breitenstein, Hirschauer, Kalthoff & Nieswand, 2015, S. 15). Die zentrale Methode der Ethnographie ist die teilnehmende Beobachtung, mit der auch in dieser Arbeit gearbeitet wurde (vgl. Kuhlmann, o.J.). Dabei nimmt der Forscher/ die Forscherin am Alltag der Beforschten teil, um auch Eigenlogiken des Feldes identifizieren zu können. Dabei ist das Einnehmen einer forschend- distanzierten Haltung des Ethnographen/der Ethnographin eine der wichtigsten Voraussetzungen für die Untersuchung sozialer Praxen (vgl. Lindner und Rosenberger, 2019, S.64). Die Beobachtungen werden in „dichten“ Beschreibungen verschriftlicht. Die „dichten“Beschreibungen werden darauf folgend in analytischen Dimensionierungen untersucht. Diese setz eine analytisch-reflexive Leistung des Forschers/der Forscherin voraus, die dazu beiträgt, keine vorschnellen Schlüsse sowie Interpretationen zu ziehen (vgl. ebd., S.66). In meiner Arbeit zum Thema „Peerkultur in der Schule- Eine ethnographische Analyse peerkultureller Verhaltensweisen während der Frühstückspause“, habe ich mich, wie bereits erwähnt, mit peerkulturellen Interaktions- und Handlungsformen währen der Frühstückspause beschäftigt. Erst eine konsequente Beobachtung und anschließende Analyse des Schülerhandelns ermöglichte mir, die Frage zu beantworten. Dabei begegneten mir die Akteure in der Frühstückspause außerhalb eines unterrichtlichen Kontextes, durch den sich mir repräsentative Beobachtungen für die dichte Beschreibung ergaben.

Meine Rolle als Forscherin und die Reaktion des Feldes

Im Rahmen der ethnographischen Forschung und im Kontext meines Studienprojekts zu meinem Praxissemester habe ich das peerkulturelle Verhalten der SuS während der Frühstückspause beobachtet. Für die im weiteren Verlauf der Arbeit noch folgenden dichten Beschreibungen sowie deren Analyse ist es von Bedeutung, nicht nur das beobachtete „Feld“sondern auch sich selbst als Ethnograf/in zu reflektieren. Somit muss ich meinen Blick auch auf meine Rolle als Forscherin und die Reaktion des Feldes auf meine Anwesenheit als Forscherin bzw. Praxissemesterstudentin richten. Meine Beobachtungen habe ich gegen Ende meines Praxissemesters getätigt. Ich habe mir bewusst mit dem Start meiner Beobachtungen Zeit genommen, um die Klasse sowie deren Besonderheiten zunächst einmal genau kennenzulernen, ein Vertrauen zu den SuS aufzubauen und mir als Forscherin klar zu machen, was genau ich in meinen Beobachtungen beleuchten möchte. Somit war ich zum Zeitpunkt meiner Beobachtungen schon bereits ca. drei Monate ausschließlich in der Klasse drei, der Klasse meiner Mentorin, eingesetzt. In diesen ersten drei Monaten habe ich überwiegend die Rolle der Praktikantin übernommen. Diese Rolle zeichnete sich dadurch aus, dass ich zum Unterrichtsbeginn im hinteren Teil der Klasse saß. Während den Arbeitsphasen setzte ich mich dann unterstützend neben ausgewählte SuS. Vor allem im Fach Sachunterricht durfte ich nach kürzester Zeit auch in die Rolle einer Lehrkraft schlüpfen und den Unterricht ohne Begleitung durchführen. Die SuS konnten mich also in verschiedenen Rollen innerhalb ihrer Klasse kennenlernen. Kurz vor Ende meines Praxissemesters habe ich noch eine dritte Rolle innerhalb der Klasse eingenommen und zwar die der Ethnografin. Besonders in der Frühstückspause unterschied sich dabei mein Rollenverhalten als Praktikantin von dem der Ethnographin. In den ersten drei Monaten habe ich während der Frühstückspause versucht, eine Verbindung zu den SuS meiner Praxissemesterklasse aufzubauen. Ich habe stets gemeinsam mit den SuS gefrühstückt und mich mit den Kindern über schulische sowie außerschulische Dinge unterhalten. In der Rolle als Ethnographin habe ich mein Verhalten diesbezüglich verändert. Ich habe angefangen, vor der Frühstückspause, also wenn die SuS noch in ihrer Hofpause waren, zu frühstücken, damit ich während der Frühstückspause ausschließlich Zeit für die Beobachtungen hatte. Ich habe mich während der Frühstückspause mit meinem Notizblock auf meinen Platz im hinteren Teil der Klasse zurückgezogen, um alle SuS währen der Pause im Blick zu haben. Die Lehrerin sowie die SuS bemerkten mein verändertes Rollenverhalten, indem sie mich fragten, warum ich nicht mehr mitfrühstückte und was ich in meinen Notizblock schriebe. Ich erklärte den SuS meinen Beobachtungsschwerpunkt und warum ich das machte. Das Interesse der SuS als auch der Lehrkraft flachte nach kürzester Zeit merklich ab und sie agierten sich in den ethnografisch festgehaltenen Szenen authentisch.

Beschreibung der Lernkultur der Klasse

Die folgenden ethnographischen Ergebnisse wurden von mir im Rahmen meines Praxissemester an einer großen Schule im Kreis Siegen-Wittgenstein gesammelt. Aufgrund ihres großen Einzugsgebietes kommen SuS aus allen Sozialschichten zusammen, um gemeinsam unter einem Dach zu lernen. Die Schule zeichnet sich vor allem durch ihre hohe Heterogenität aus. Diese Heterogenität spiegelt sich auch in meiner Praxissemester Klasse wider. Ich habe mein ganzes Praxissemester in der Klasse drei, der Klasse meiner Mentorin, verbracht und in dieser auch meine Beobachtungen durchgeführt. Die Klasse besteht aus 23 SuS, davon zehn Jungen und 13 Mädchen. Davon haben elf Kinder einen Migrationshintergrund. Neben der Klassenlehrerin und mir, der Praxissemesterstudentin, befinden sich in der Klasse noch zwei Integrationskräfte, wobei die eine für einen Jungen mit Förderbedarf Lernen und die andere für einen Jungen mit Diabetes zuständig ist. Während meiner Zeit im Praxissemester waren die SuS, aufgrund der Corona Pandemie und den einhergehenden Regelungen, mehrere Monate im Wechselunterricht. Die SuS waren dafür in zwei Lerngruppen A (elf Kinder) und B (zwölf Kinder) eingeteilt, und hatten somit einen Tag Unterricht in der Schule und den nächsten Tag Homeschooling zu Hause, wo sie an einem Arbeitsplan arbeiten mussten. Aufgrund der schwierigen Corona Lage lässt sich die Lernkultur der Klasse, in der Zeit meines Praxissemesters, als eher geschlossen beschreiben. Das Hygienekonzept der Schule schrieb vor, dass alle SuS an Einzeltischen sitzen mussten und Gruppenarbeiten aus Infektionsschutzgründen untersagt waren. Zudem war das Tragen eines Mund-Nasenschutzes für alle SuS sowie LuL vorgegeben. Aufgrund der eingeschränkten Möglichkeiten habe ich in der Zeit des Wechselunterrichts ausschließlich Frontalunterricht der Klassenlehrerin gesehen. Hervorzuheben ist dabei die autoritäre Präsenz der Klassenlehrerin. Bei ihrer Anwesenheit arbeiten die Lerngruppen, während den Arbeitsphasen, ruhig und konzentriert. Für Unterstützung, aber auch für Vertretungssunden, war noch eine Vertretungslehrerin in der Klasse drei eingesetzt. Bei ihr als auch bei mir waren die SuS während des Unterrichts lebhafter und lauter, zum Teil auch unkonzentriert. Durch das hohe Maß an Unterstützung durch zum Zeil fünf Erwachsene in der Klasse (zwei I-Kräfte, Klassenlehrerin, Vertretungslehrerin und Praxissemesterstudentin) konnte optimal auf Lernschwierigkeiten der SuS eingegangen werden. Die SuS der Klasse waren die vielen Erwachsenen von Beginn ihrer Schulzeit an gewöhnt und fühlten sich in der Klasse gut aufgehoben. Sie scheuten sich nicht davor, auch Fragen zu stellen und offen zu kommunizieren, bei welchen Inhalten sie noch Schwierigkeiten hatten und sich so Unterstützung bei einem der Erwachsenen oder bei ihren Mitschüler/innen zu holen. Die Klassenlehrerin legte großen Wert darauf, dass jedes Kind in seinen Möglichkeiten bestmöglich betreut wurde. Eine angepasste und individuelle Beschulung der Kinder durch die Klassenlehrerin, mit individuellen Arbeitsblättern und Materialien, sollte die Leistungsbereitschaft der SuS erhalten und diese weiter fördern. Zum Ende des Praxissemester hatte sich die Corona Lage insoweit wieder etwas entspannt, dass kurz vor den Sommerferien wieder alle SuS in Präsenz zur Schule gehen konnten. Erst zu dem Zeitpunkt fiel mir auf, dass der Klassenraum für 23 SuS sehr klein war. Die Tische standen frontal zur Tafel ausgerichtet. Mein Platz war in der hinteren Ecke des Klassenraums direkt neben einem Waschbecken und vor der Eingangstür an einem kleinen Tisch, da sonst kein Platz in der Klasse mehr frei war. Zudem saßen im hinteren Bereich der Klasse die Vertretungslehrerin sowie die I-Kraft des Jungen mit der Diabetes Erkrankung direkt vor Regalen für die Schulranzen der SuS. Aufgrund der beengten Situation musste man immer aufstehen, wenn die SuS zum Waschbecken oder zu ihren Schulranzen wollten. Von der Klassenlehrerin war es erwünscht, dass alle Erwachsenen sich während der frontalen Phasen im hinteren Bereich der Klasse aufhalten sollten, um die Kinder nicht abzulenken. Während der Arbeitsphasen durften wir dann durch die Klasse gehen und uns als Unterstützung neben einzelne Kinder setzen.

Dichte Beschreibungen

Die Situation

Die Beobachtung wurde am Donnerstag, den 01.06.2021, ab 9:45 Uhr durchgeführt und dauerte bis 10:00 Uhr an. Beobachtet wurde das Peerverhalten der SuS einer dritten Klasse während der Frühstückspause zum Unterricht der dritten Stunde. Bei den beobachteten Personen handelte es sich um die Klasse drei und ihre Klassenlehrerin. Aufgrund der aktuellen Corona Regeln und dem damit einhergehenden Wechselunterricht, befand sich im Klassenraum lediglich die Hälfte der Schülerschaft. Es handelte sich um die Lerngruppe A mit insgesamt elf SuS. In den letzten Wochen hatte die Klassenlehrerin den SuS in der Frühstückspause aufgrund von Corona stets ein Kapitel aus einem Buch vorgelesen, da die SuS, aufgrund des von der Schule vorgegebenen Hygienekonzepts, alleine an Einzeltischen sitzen und sich ohne Maske nicht mit einem in der Nähe sitzenden Kind unterhalten sollten. Vor einer Woche wurde das letzte Kapitel des Buches vorgelesen und die Lehrkraft hat bis dato noch kein neues Buch angefangen. Die Frühstückspausen haben sich also insoweit von einer geordneten Atmosphäre zu einem ziemlichen Chaos verändert. Die Lehrkraft verlässt die Klasse während der Frühstückspause häufig und ich sitze oftmals alleine mit den SuS in der Klasse, da auch die I- Kräfte sich aktuell zum Frühstücken in einen an den Klassenraum benachbarten Besprechungsraum begeben. Während des Frühstücks dürfen die SuS ihren Mund-Nasenschutz abziehen, sich aber nicht ohne Maske im Klassenraum bewegen. Die Kinder sollten also ausschließlich an ihrem Sitzplatz frühstücken. Die SuS dürfen während der Pause jederzeit ihr Frühstück aus ihrem Schulranzen, der sich in einem Regal im hinteren Teil der Klasse befindet, holen oder wieder zurückbringen. Aufgrund von Corona hat die Schule versetzte Pausenzeiten, damit sich nicht alle SuS auf dem Schulhof begegnen. Somit findet die Frühstückspause nun immer nach der Hofpause ab 09:45 Uhr bis 10:00 Uhr statt. Währen der Beobachtung sitze ich an meinem üblichen Platz, an einem Einzeltisch im hinteren Teil der Klasse. Hinter mir befindet sich unmittelbar die Eingangstür und direkt rechts neben mir die Mülleimer sowie das Waschbecken der Klasse.

Beschreibung 1

Es ist 9:45 Uhr und der Schulgong ertönt. Ich packe mein Frühstück zusammen und ziehe meine FFP 2 Maske wieder auf. Auf dem Flur wird es laut. Ich höre Kinderstimmen und Schritte näher kommen. Mit einem Ruck wird die Klassentür aufgerissen. Mit einem lauten „Erster!“ steht Anna2 in der Tür. Sie wirkt außer Atem und etwas erschrocken als sie beim Aufreißen der Klassentür direkt in mein Gesicht blickt. Anna rennt an mir vorbei zu dem Schrank, in dem alle Schulranzen stehen, und holt ihre Brotdose sowie ihre Trinkflasche aus dem Rucksack. Sie schiebt den Rucksack wieder zurück in den Schrank, geht an ihren Platz und packt ihr Frühstück aus. In der Zwischenzeit kommen noch drei weitere Kinder in die Klasse gerannt. Die drei gehen auch an den Schrank mit den Schulranzen und holen ihre Brotdose aus der Tasche, mit der sie sich dann, immer noch rennend, an ihren Tisch setzen. Aus dem Flur höre ich jemanden rufen. Benjamin kommt zusammen mit Nina in die Klasse geschlendert und ruft „Händewaschen!“. Ich muss aufstehen, damit die Kinder an das Waschbecken kommen können. Vor dem Waschbecken und dem Desinfektionsspender neben der Tür bildet sich ein Getümmel. Auch die vier bereits frühstückenden Kinder stehen wieder von ihrem Platz auf und stellen sich vor das Waschbecken oder desinfizieren sich ihre Hände am Desinfektionsspender. Kurz danach erscheint die Klassenlehrerin in der Klassentür. Mit einem Kaffee in der Hand drängt sie sich durch das Getümmel an der Tür und hebt dabei die Kaffeetasse mit beiden Händen über ihren Kopf. Mit großen Schritten geht sie zum Pult, stellt den Kaffee ab, hebt ihre Tasche vom Boden auf, stellt sie auf das Pult und holt ein DIN A 4 Blatt aus ihrer Tasche. Mit großen Schritten verschwindet sie wieder aus der Klasse und ruft, noch während sie geht, „Ich muss nochmal kurz in die Notbetreuung.“ dabei wedelt sie mit dem von ihr zuvor aus der Tasche geholte DIN A 4 Blatt. Ich schaue durch die Klasse und sehe Sonida und Ayla. Ayla sitzt an ihrem Einzeltisch vor Sonida. Die beiden haben ihren Blick jeweils nach vorne zur Tafel ausgerichtet. Ayla dreht sich jedoch alle paar Sekunden zu Sonida um, grinst diese an, zeigt ihr Pausenbrot und beißt herein. Sonida macht dasselbe. Beiden Mädchen reden nicht miteinander, aber zeigen sich vor jedem Biss, was sie als Nächstes essen werden und lachen dabei. In der Klasse ist es laut, einige Kinder reden miteinander. Erst jetzt tauchen plötzlich Pia, Tom und Lukas im Türrahmen der Klassentür auf. Ich schaue auf die Uhr oberhalb der Klassentür, es ist 9:52 Uhr. Ich denke mir, dass die Kinder ganz schön spät sind und frage mich, wo sie noch so lange geblieben sind. Lukas hält einen Fußball unter dem rechten Arm. Die drei haben hochrote Köpfe und ich sehe, wie Tom sich Schweiß von seiner Stirn mit dem Arm an seinem T-Shirt abwischt. Während Lukas den Fußball zurück in die Spielkiste legt, ruft er „Man! Was ein Spiel!“ durch die Klasse. Pia, die am Waschbecken steht, und Tom, der gerade sein Frühstück aus seinem Schulranzen holt, nicken und bejahen die Aussage von Lukas. Ich bemerke, dass die Lautstärke in der Klasse leiser geworden ist und die meisten SuS ihre Köpfe in Richtung der drei drehen. Pia, Lukas und Tom beginnen sich, noch während sie zu ihren Sitzplätzen gehen, über das Fußballspiel in der Pause zu unterhalten. Nach kurzer Zeit ist das Fußballspiel das dominierende Gesprächsthema in der Klasse. Lukas erzählt den Mitschüler/innen von dem Spiel und gestikuliert dabei wild mit den Armen. Er erzählt, dass er die gegnerische Mannschaft „platt“ gemacht habe und dabei vier Tore geschossen habe. Immer wieder treten andere Kinder dem Gespräch mit einem Wortbeitrag bei. Andere Kinder schauen währenddessen sie frühstücken in Richtung der Gruppe, lächeln ab und zu und nicken. Plötzlich ruft Pia: „Lukas, du hast ja noch gar nichts gegessen!“. Lukas wirkt erschrocken, fängt dann an zu lachen und sagt, dass er das ganz vergessen habe. Er steht lachend von seinem Platz auf, zieht seine Maske auf und geht in die Richtung seines Schulranzens. Die Klasse lacht und schaut hinter Lukas her. In dem Moment kommt die Klassenlehrerin zurück in die Klasse. Sie wirkt verwundert, schaut auf ihre Armbanduhr und fragt die Kinder, was denn los sei. Nachdem ihr ein Mädchen aus der ersten Reihe die Situation erklärt hat, schüttelt sie den Kopf und setzt sich an ihr Pult. Anna beginnt als Erste ihr Frühstück einzupacken. Sie zieht ihre Maske auf und bringt ihre Brotdose zurück in ihren Schulranzen. Vereinzelt packen auch andere Kinder ihr Frühstück zusammen und räumen ihren Tisch auf. Sie ziehen ihre Masken auf und gehen in Richtung Schulranzenregal in den hinteren Teil der Klasse. Am Regal bildet sich ein Getümmel. Einige Kinder reden miteinander und andere versuchen, sich an ihnen vorbeizudrücken und an ihre Schulranzen zu kommen. Lachend schlendern Hannah und Pia gemeinsam vom Regal zurück zu ihren Plätzen, indem sie bis zur Mitte des Klassenraums gehen und sich dann zuwinken, als jede in eine andere Richtung abbiegen muss. Um 9:59 Uhr schaut die Lehrerin auf ihre Armbanduhr und bittet die Kinder langsam zum Ende zu kommen. Die meisten Kinde haben ihr Frühstück bereits weggeräumt. Lukas ist der Letzte, der Schulgong ertönt erneut. Lukas beißt noch einmal einen großen Bissen von seinem Brot ab, bevor er es wieder zurück in seine Brotdose legt und ebenfalls sein Frühstück wegpackt.

Die Situation

Die Beobachtung wurde am Dienstag den 15.06.2021, ab 9:50 Uhr durchgeführt und dauerte bis 10:00 Uhr an. Es handelte sich hier wieder um denselben Beobachtungsschwerpunkt wie in der ersten Beschreibung. Bei den beobachteten Personen sind es ebenfalls die Klasse drei und ihre Klassenlehrerin, wobei sich diesmal alle 23 SuS im Klassenraum befanden, da seit dem 07.06.2021 wieder alle SuS der Schule am Präsenzunterricht teilnehmen durften. Der Ablauf der Frühstückspause hat sich seit der letzten Beobachtung nicht verändert. Auch die Hygieneregeln sind gleichgeblieben, Hände waschen oder desinfizieren nach der Pause und die Maskenpflicht besteht weiterhin, allerdings sitzen die SuS nun nicht mehr alleine an Einzeltischen, sondern haben wieder Sitznachbarn. Aufgrund der zu der Zeit sehr niedrigen Inzidenzwerte dürfen die SuS ihre Masken nun auch seit einem Tag auf dem Schulhof abnehmen. Deswegen dürfen sich die SuS jetzt auch, nach ihrem Frühstück und mit Mundschutz, während der Frühstückspause frei in der Klasse bewegen.

Beschreibung 2

Es ist 9:50 und ich sitze an meinem üblichen Platz im hinteren Teil der Klasse. Die meisten Kinder haben ihr Frühstück schon aus ihrem Schulranzen geholt. Ich habe meinen Stuhl ein Stück zur Seite gerückt, da noch fünf Kinder neben mir vor dem kleinen Waschbecken stehen, Hände waschen und sich dabei unterhalten. An den Schulranzenregalen stehen ebenfalls noch Kinder und unterhalten sich, während sie ihre Brotdose sowie ihre Trinkflasche aus dem Schulranzen kramen. Es ist laut in der Klasse. Die meisten SuS sitzen neben ihrem Sitznachbarn und unterhalten sich oder frühstücken und schauen dabei in der Klasse herum. Pia, die neben mir am Waschbecken steht, schaut, während sie sich die Hände wäscht, in Richtung Klasse. Sie zieht ihre Hände aus dem Wasserstrahl des Wasserhahns zurück, trocknet diese an ihrem T- Shirt ab und läuft währenddessen in Richtung Schulranzenregal. Dabei ruft sie laut „Ich habe Pop its3 dabei!“. Sie zieht ihren Schulranzen aus dem Regal, stellt ihn auf den Boden und kramt daraus ihre Brotdose, Trinkflasche und sechs bunte Förmchen. Vollbepackt läuft sie in Richtung ihres Sitzplatzes. Mia, die neben Pia sitzt, hat ihren Blick zu Pia gewandt und hüpft, mit ihrem Po, auf ihrem Stuhl auf und ab und klatscht dabei in ihre Hände, während Pia in Richtung ihres Sitzplatzes geht. Pia lässt ihr „Gepäck“ auf ihren Tisch fallen, zieht ihre Maske aus und ruft laut „Wer will eins?“ in die Klasse wobei sie in jeder Hand ein Förmchen hält, Pop its sind ein Jugendkulturelles Fidget Spielzeig, das in den letzten Monaten aufgekommen ist und schnell an Beliebtheit gewonnen hat. Pop its sind bunte Formen aus Silikon, die viele runde, daumengroße Noppen haben. Diese Noppen können nach innen gedrückt werden. Ähnlich des vor einigen Jahren populären Fidget Spinners, sollen Pop its dem Abbau von Stress oder innerer Unruhe dienen (vgl. Grüneberg, 2021).

mit dem sie hin und her wedelt. Verschiedene Kinder aus der Klasse reagieren auf Pias Frage mit einem „Ich, ich, ich!“ und heben eine Hand. Mehmet und Tom springen von ihren Plätzen auf und laufen zu Pia, dabei haben sie keinen Mund-Nasenschutz auf und werden von einigen Kindern direkt ermahnt, indem diese „MASKE!“ rufen. Mehmet und Tom schauen sich gegenseitig mit weit aufgerissenen Augen an, sie wirken erschrocken, dann fangen sie an zu lachen, halten sich eine Hand vor den Mund und rennen wieder in Richtung ihrer Sitzplätze. An Pias Tisch hat sich in der Zwischenzeit ein Getümmel gebildet. Acht Kinder stehen um ihren Tisch herum und fragen, ob sie ein Pop It haben dürfen. Pia verteilt die Pop its an ihre Mitschüler/innen und behält eins für sich und gibt das andere Mia, ihrer Sitznachbarin. Die Kinder laufen mit dem Spielzeug zurück an ihren Platz und fangen sofort an, die kleinen Noppen der Pop its zu drücken. In der ganzen Zeit frage ich mich, was das für ein Spielzeug ist und wende mich an Yasmin, die vor mir sitzt. Auch sie hat ein Pop It von Pia ergattert und drückt mit der rechten Hand die Noppen des Förmchens nach unten und hält mit der anderen Hand einen Apfel. Ich frage sie, was das sei und sie erklärt mir, was man mit dem Pop It machen könne. Dabei gibt sie mir ihres in die Hand und lässt mich das Spielzeug auch einmal ausprobieren. Ich bemerke, dass das Förmchen ganz weich ist, es fühlt sich an wie eine Silikonform zum Backen. Einige Kinder in der Umgebung haben meine Frage an Yasmina anscheinend auch gehört, oder meinen fragenden Blick gesehen, denn sie stehen von ihrem Plätzen auf und kommen zu Yasmins Tisch oder drehen ihre Stühle zu diesem um und steigen direkt in das Gespräch mit ein. Ich frage die Kinder, wofür man das Spielzeug braucht. Daraufhin beginnt in der Gruppe eine Diskussion über die Sinnhaftigkeit der Pop Its, bei der sich immer mehr Schüler/innen mit Wortbeiträgen beteiligen. Nach kürzester Zeit sind die Pop Its das Hauptgesprächsthema innerhalb der Klasse, da sich nun mehrere Gruppen von vier bis sechs Kindern im Raum verteilt gebildet haben und ich hören kann, wie sie darüber sprechen. Im vorderen Teil der Klasse stehen einige Kinder um den Tisch von Elodie und Sascha herum. Es scheint so als würden die beiden miteinander spielen und ich höre, wie die um den Tisch herum stehenden Kinder rhythmisch ihre Namen rufen. Elena, die in einer Gruppe mit Linn, Mila, Pia und Yasmin vor mir steht, sagt, dass die Pop Its „voll cool“ sind und dass sie auch welche zu Hause habe, daraufhin sagt Tom, der in einer Jungsgruppe mit Anton, Emre und Mehmet neben den Mädchen steht, dass er mindestens zehn Stück zu Hause habe. Die nächsten Minuten beginnt zwischen den beiden Gruppen eine weiter Diskussion, wer die meisten Pop its zu Hause habe. Tom schlägt vor, das Ganze mit einem Spiel Mädchen gegen Jungs zu entscheiden. Elena dreht sich zu ihrer Gruppe um, die Mädchen nicken und Elena bejaht das Duell. Die SuS fragen mich ,ob ich Schiedsrichterin sein könne und setzen sich vor mich an Yasmins Tisch. Als Erstes setzen sich Elena und Tom nebeneinander, beide haben ein Pop It vor sich liegen. Auf „Los“ versuchen sie so schnell wie es geht, alle Noppen ihres Pop Its runterzudrücken. Tom ruft als Erster „Fertig!“ und streckt beide Arme in die Luft. Emre haut Tom darauf auf die Schulter und sagt, dads die Jungs besser seien als die Mädchen. Das Ganze wird von der Mädchengruppe mit einem „Gaar nicht!“ kommentiert wobei alle lachen. Tom und Elena stehen von ihren Plätzen auf. Linn und Emre setzen sich dafür auf ihre Plätze und ein weiteres Spiel beginnt. Ich gebe meinen Schiedsrichterposten an Elena ab. Ich widme mich wieder meinen Beobachtungen und versuche, mich im Gewusel der Klasse auf einzelne Kinder zu konzentrieren. Mir fällt Gizem auf. Sie sitzt alleine an ihrem Platz, hat ein Mandala vor sich liegen und malt dieses, während sie ab und zu in ihr Brot beißt, aus. Als Anna, ihre Sitznachbarin, aus einer der Diskussionsgruppen wieder an ihren Platz geht, schaut Gizem nur kurz auf, lächelt und widmet sich dann wieder dem Ausmalen des Bildes. Anna setzt sich neben Gizem, zieht ihre Maske aus und fängt an, mit einem der Pop Its zu spielen. Es ist 09:57, die Klassenlehrerin kommt mit einem Kaffee in der Hand durch die weit offenstehende Eingangstür der Klasse. Sie bleibt vor einer, mit den Pop Its spielenden Gruppen stehen, schaut den Kindern einige Sekunden beim Spielen zu und geht dann durch die Klasse in Richtung ihres Pults. Währenddessen erinnert sie die SuS, dass sie nicht nur spielen, sondern bitte auch frühstücken sollen. Am Pult angekommen zieht sie ihre FFP2 Maske aus legt sie auf den Tisch, lehnt sich in ihrem Stuhl zurück, überschlägt die Beine und beginnt von ihrem Kaffee zu trinken, während sie ihren Blick durch die Klasse wandern lässt. Um 09:58 erinnert die Klassenlehrerin die SuS langsam zum Ende zu kommen und ihr Frühstück zurück in ihren Schulranzen zu räumen. In der Klasse wird es wieder unruhig. Die Spielgruppen lösen sich langsam auf. Überall laufen Kinder umher und setzen sich wieder auf ihre Sitzplätze oder räumen ihr Frühstück in ihren Schulranzen am Schulranzenregal. Dabei höre ich, wie die Kinder miteinander sprechen, kann aber, aufgrund der Lautstärke innerhalb der Klasse, kein konkretes Gespräch mehr raushören. Pia steht von ihrem Platz auf, zieht ihre Maske auf, klemmt ihre Trinkflasche unter ihren linken Arm, nimmt ihre Brotdose in eine Hand und beginnt mit der anderen ihr und Mias Pop It auf ihrer Brotdose zu stapeln. So bepackt läuft sie durch die Klasse und sammelt ihre an ihre Mitschüler/innen verteilten Pop Its ein und bringt diese sowie ihr Frühstück zurück in ihre Schultasche. Als der Pausengong ertönt, rennen alle Kinder, die noch nicht auf ihren Plätzen sitzen, zurück zu ihren Tischen und es kehrt langsam Ruhe ins Klassenzimmer ein.

Analytische Dimensionierung

Der Übersicht halber beziehe ich mich in den folgenden analytischen Dimensionierungen auf die folgenden vier Beobachtungsschwerpunkte: soziale Räume, kindliche Selbstdarstellung, Spielkultur und Geschlecht. Diese sind mir bei der Analyse der dichten Beschreibungen besonders aufgefallen, da sie eine besondere Bedeutung bei der Interaktion von Peers einnehmen. Die Auswahl der eben genannten Kategorien schließt natürlich andere wichtige Punkte nicht aus, die allerdings in dieser Arbeit nicht weiter oder nur bedingt analysiert werden.

Zur 1.Beschreibung – Soziale Räume und kindliche Selbstdarstellung

Der Schulgong ertönt und läutet somit als akustisches Signal einen Szenenwechsel ein und kündigt den Beginn der Frühstückspause an. Die SuS der dritten und vierten Klassen stürmen vom Schulhof zurück in das Schulgebäude und in ihre Klassen. Das ruckartige Aufreißen der Schultür durch Anna und ihre Aussage „Erster!“ zu sein macht den Anschein eines Wettkampfs. Möglicherweise eines Wettkampfes, der zwischen den Peers auf dem Flur ausgetragen wurden. Dabei gehört das sich gegenseitige Herausfordern der Peers untereinander zu typischen peerkulturellen Handlungen, die sich im Laufe meiner Analyse noch das ein oder andere Mal wiederfinden. Annas direkter Gang zu ihrem Schulranzen, um ihre Brotdose und ihre Trinkfalsche herauszuholen, lasst sich als eine ritualisierte Handlung deuten, aus der sich schließen lasst, dass Anna genau weiß, welche Phase des Schultages nun erreicht ist und dass in dieser Phase gefrühstückt wird. Ihre Mitschüler/innen tun es ihr in den nächsten Minuten gleich, auch ihnen ist der Phasenwechsel dem Anschein nach bewusst. Das Geschehen in der nächsten Szene weckt meine Aufmerksamkeit. Benjamin kommt in die Klasse geschlendert und erinnert seine Mitschüler/innen lautstark an das Händewaschen. Dabei schlüpft Benjamin in die Rolle der Klassenlehrerin, die diese Handlung in den letzten Wochen auch das ein oder andere Mal getan hat, und weist seine Peers auf bestehende Regeln hin. Seine Ermahnung bewirkt, dass seine Peers tatsächlich auf ihn hören, aufstehen und zum Waschbecken oder zum Desinfektionsspender gehen. Möglicherweise, weil sie wissen, dass es diese Regel gibt und wissen, dass sie wichtig ist. Man könnte aber auch vermuten, dass Benjamin hier eine Art Anführerrolle einnimmt und die Peers alleine deswegen auf ihn hören. Kurz danach erscheint die Klassenlehrerin in der Tür. Ihr daraufhin wieder schnelles Verlassen der Klasse bewirkt, dass der Klassenraum plötzlich zur Hinterbühne wird, in der die Peerkultur Überhand gewinnt und Zeit hat, sich zu entfalten (vgl. Wagner-Willi, 2018, S. 58). Die darauffolgenden Szenen sind durch das Entstehen von sozialen Räumen unterhalb der Peers, innerhalb des Klassenraums, geprägt. Als Erstes fällt mir das Verhalten der beiden Mädchen Sonida und Ayla auf. Die beiden Mädchen sitzen voreinander an ihren Einzeltischen. Dabei dreht Ayla sich immer wieder zu Sonida um und zeigt ihr bei jedem Bissen, was sie als nächstes essen werde. Die beiden Mädchen kommunizieren dabei ausschließlich nonverbal miteinander. Sie bilden ihren eigenen sozialen Raum innerhalb der Peerkultur der Klasse, der sich als eine Art Fernraum beschreiben lässt (vgl. Bennewitz und Meier, 2010, S. 104). Dass Ayla ihren Stuhl nicht einfach zu Sonida umdreht und mit ihr so in Kontakt tritt, könnte an den Hygieneregeln der Klasse liegen. Das Eintreten Pias, Toms und Lukas in die Klasse lässt einen ganz neuen sozialen Ort entstehen. Und zwar den der Bühne. Offensichtlich kommen die drei gerade von einem anstrengenden Fußballspiel auf dem Pausenhof, zurück. Vermuten lässt sich dies durch ihren mit sich geführten Fußball und ihren hochroten Köpfen. Lukas eröffnet seine „Show“, indem er mit seinem Satz „Man! Was ein Spiel!“ seine Peers auf ein vermutlich spannendes Erlebnis in der Pause aufmerksam macht. Er schafft es so, die Aufmerksamkeit seiner Peers auf sich und sein Erlebnis zu richten. Viele der Peers richten ihren Blick zu Lukas und erzeugen somit eine Bühne, die Lukas nutzt, um seine Geschichte zu erzählen (vgl. ebd.). Die Bühne und das Publikum bedingen sich hier also wechselseitig, da nur durch die Aufmerksamkeit des Publikums die Bühne entstehen kann (vgl. ebd., S. 103). Lukas und seine Geschichte werden für seine Peers zur Vorderbühne und zum dominierenden Gesprächsthema. Dabei steht die soziale Identität des Peers Lukas, noch lange nach der Hofpause im Vordergrund. Er nutzt die Möglichkeit, seine Pausenaktivität zu verarbeiten, in dem er seine Erlebnisse mit seinen Peers teilt. Es ist auch möglich, dass Lukas durch seine Erzählung und seine Aussage, die gegnerische Mannschaft „platt“ gemacht zu haben, nach sozialer Anerkennung durch seine Peers sucht. Thiel beschreibt dies als ein typisches Peerverhalten und von zentraler Bedeutung für die Identitätsentwicklung der Kinder (vgl. Thiel, 2016, S. 49). Lukas Bühne verschwindet wieder als Pia anmerkt, dass er noch gar nichts gegessen habe und die Klassenlehrerin die Klasse betritt. Somit beendet das Einmischen des Publikums Lukas Bühnenaufführung (vgl. Bennewitz und Meier, 2010, S. 104). Die Peers wechseln wieder zurück aus ihrer Rolle als Publikum und wenden ihre Aufmerksamkeit auf andere Dinge. Das Eintreten der Klassenlehrerin in die Klasse, deutet auf ein baldiges Ende der Frühstückspause hin. Die ersten SuS beginnen schon, ihr Frühstück wegzupacken, ob dies nun geschieht, da die Klassenlehrerin die Klasse betreten hat oder weil die Kinder satt sind und fertig gefrühstückt haben, lässt sich in diesem Zusammenhang nicht eindeutig erklären. Durch das Wegräumen des Frühstücks und das daraus folgende Umherlaufen der SuS durch die Klasse, kommt es vor dem Schulranzenregal zu einem Getümmel und zu einem deutlichen Anstieg der Lautstärke in der Klasse. Hier lässt sich erneut die Entstehung von sozialen Orten innerhalb der Peerkultur erkennen. Durch den Standortwechsel begegnen sich nun auch Peers, die in der Klasse nicht unmittelbar nebeneinandersitzen. Der Anstieg der Lautstärke lässt vermuten, dass sich hier der flüchtige soziale Räum der Begegnung ergibt, in dem die SuS den Standortwechsel verwenden, um Kommunikationsgelegenheiten mit Peers zu nutzen und mit diesen in Kontakt zu treten (vgl. Bennewitz und Meier, 2010, S. 105). Zu sehen ist dieser soziale Ort vor allem an den beiden Mädchen Hannah und Pia, die sich am Schulranzenregal begegnen und daraufhin gemeinsam zurück zu ihren Plätzen laufen, sich aber in der Mitten des Klassenraums trennen, um zu ihren Sitzplätzen zu gehen. Dabei winken sich die beiden Mädchen so lange zu, bis sie auf ihren Plätzen sitzen, was zudem wieder auf einen Fernraum als sozialer Ort mit seiner nonverbalen Kommunikation hinweist (vgl. ebd.). Die Beobachtung endet mit dem Ertönen des Schulgongs.

Zur 2. Beschreibung – Spielkultur und Geschlecht

Die dichte Beschreibung beginnt mit Beobachtungen am Waschbecken und am Schulranzenregal, an denen noch SuS stehen und sich unterhalten, während sie Hände waschen oder ihr Frühstück auspacken. Anknüpfend an die erste Beschreibung lässt sich auch hier wieder der flüchtige soziale Ort Begegnung erkennen (vgl. Bennewitz und Meier, 2010, S. 105). Die Kinder nutzen den kurzen Moment der Begegnung, um mit ihren Mitschüler/innen Kontakt aufzunehmen. Die darauffolgende Szene weist eine ganz neue Analysekategorie auf, die sich in der ersten Beschreibung nicht beobachten ließ und zwar die der Spielkultur der Peers. Pia läuft nach dem Händewasche zu ihrem Schulranzen und holt mehrere Pop Its aus ihrer Tasche. Dies verkündet sie der Klasse unverzüglich und lautstark. Da kein Kind fragt, was das sei, lässt sich vermuten, dass das Spielzeug Pop It bereits Teil ihrer Peerkultur ist und aufgrund dessen alle Kinder mit dem Spielzeug vertraut sind. Hier lässt sich eine Verschmelzung der konjunktiven Erfahrungswelt der Peers mit der der Schule erkennen. Die Spielzeit innerhalb der Schulzeit ist begrenzt. Dabei gibt die Frühstückspause ein Zeitkontingent von 15 Minuten vor, das die Kinde zum Spielen und zum Frühstücken nutzen dürfen. Die schnellen Bewegungen Pias, ihr Rennen und ihr hektisches Kramen im Schulranzen lässt vermuten, dass sie diese ihr zur Verfügung stehende „Spielzeit“, optimal nutzen möchte und dabei keine Zeit verschwenden will. Das Verteilen der Pop Its an ihre Mitschüler/innen kann hier auch wieder als Wunsch nach sozialer Anerkennung gedeutet werden, wie es in der ersten Beschreibung bei Lukas der Fall war sowie als eine Form des sozialen Austauschs. Während Pia die Pop Its verteilt, laufen Mehmet und Tom ohne Maske durch die Klasse. Dabei werden sie von ihren Peers direkt ermahnt. Trotz Pause gelten hier also, wie auch schon in der ersten Beobachtung beschrieben, Regeln. die anscheinend von allen SuS akzeptiert werden, denn die beiden holen ihre Maske unverzüglich nach der Ermahnung von ihren Plätzen. Als ich Yasmin frage, was das für ein Spielzeug sei und wofür man dies brauche erklärt sie mir das Ganze ausführlich. Sie lässt mich für kurze Zeit ein Teil ihrer Peerwelt sein, gibt mir das Pop It in die Hand und lässt mich auch einmal damit spielen. Dabei erklärt sie mir die Funktion und Sinnhaftigkeit. In der Zwischenzeit bilden sich verschiedene Gruppen, wobei eine Gruppe im vorderen Teil der Klasse auffällt. Einige Kinder stehen um den Tisch von Elodie und Sascha herum. Die beiden haben angefangen, miteinander und mit zwei Pop Its von Pia zu spielen und werden von ihren Zuschauern angefeuert. Für das Spiel von Elodie und Sascha braucht es dem Anschein nach also nur zwei Mitspieler/innen. Ihr Tisch ist dabei zum Spielfeld geworden. Innerhalb der Spielgemeinschaft haben sich zwei Gruppen gebildet. zum einen die der Spieler und zum anderen die der Zuschauer. Die Zuschauer bilden dabei den Rahmen des spezifischen und unwiederholbaren Ereignisses und werden auf diese Weise zu einem Teil der Spielgemeinschaft (vgl. Tervooren, 2001, S. 234). Ein ähnliches Verhalten des „miteinander Spielens“ zeigt sich auch in der darauffolgenden Szene. Elena und Tom unterhalten sich darüber, wer mehr Pop Its zu Hause habe. Dabei wird die Diskussion durch Tom, mit seinem Vorschlag, das Ganze in einem Duell auszutragen, in ein Spiel überführt. Hier gilt es anzumerken, dass der Ausgang dieses Spiels keine Antwort auf diese Frage bietet. Möglicherweise nutzt Tom den Vorschlag nur als Vorwand, um endlich mit dem Spielen anzufangen und damit die Diskussion zu beenden. Dabei organisiert das Spiel eine Entscheidung mithilfe eines Wettkampfes (vgl. ebd., S.228). Bei der Szene kommt aber noch eine andere Kategorie, die bis jetzt noch nicht berücksichtigt wurde, zum Tragen. Die Kategorie des Geschlechts. Zum einen ist erkennbar, dass Tom und Elena in geschlechterhomogenen Gruppen beieinander stehen, die zunächst in keiner Interaktion zueinander stehen. Die Gruppen unterhalten sich zunächst in ihrer eigenen Kleinwelt, deren Kommunikation ausschließlich auf die Teilnehmer dieser Gruppe begrenzt ist (vgl. Bennewitz und Meier, 2010, S. 105). Eine Erklärung für die geschlechterhomogenen Gruppen könnte Freundschaft sein. Diese Vermutung ergibt sich durch andere Beschreibungen außerhalb dieser Arbeit und basiert darauf, dass sowohl die genannten Mädchen als auch die genannten Jungen oft die Pause miteinander verbringen und miteinander spielen. Zudem scheint Geschlecht eine Art interessengeleitete Gruppe zu sein. Wobei an den Pop Its beide Geschlechter gleich viel Interesse zeigen. Der Kontakt zwischen den beiden Geschlechtergruppen wird erst durch Toms Einmischen in Elenas und mein Gespräch hergestellt, als er behauptet, mehr Pop Its zu Hause zu haben als Elena. Diese Bemerkung könnte man als eine Art Prahlen vor den eigenen Peers interpretieren, ob diese eventuell nur geschieht, um der Mädchengruppe zu imponieren, lässt sich an dieser Stelle nicht sagen. Tom schlägt ein Duell Jungen gegen Mädchen vor. Dieses Duell beinhaltet eine Konkurrenz der beiden Geschlechter. Das plötzliche Beziehen Toms auf das Geschlecht zwingt die Kinder automatisch, sich an Geschlechternormen zu orientieren (vgl. Tervooren, 2001, S. 243). Nach dem Beschluss, das Duell durchzuführen, schlägt Tom mich als Schiedsrichterin vor. Möglicherweise, weil er der gegnerischen Gruppe nicht vertraut oder einfach nur, weil ein/ein Schiedsrichter/in zu einem „richtigen“ Spiel dazugehört. Der erste Wettkampf wird zwischen Tom und Elena ausgerichtet. Toms Sieg kommentiert Emre. Die Aussage Emres impliziert, dass Jungs in allen Sachen besser seien als Mädchen, allerdings lässt sich vermuten, dass Emre die Aussage ausschließlich im Kontext des Spiels gewählt habe und diese nicht als allgemeingültig verstanden werden muss. Dennoch lässt er mit seinen Worten eine Hierarchie zwischen den beiden Geschlechtern entstehen. Es scheint aber, als sei das der Mädchengruppe egal, denn sie reagieren nicht wütend auf die Aussage. Ganz im Gegenteil, sie lachen die ganze Zeit und verteidigen sich ausschließlich verbal. Auch fahren sie danach gleich mit einem Platzwechsel und somit mit dem Spiel fort. Nach Elena und Tom sind Linn und Emre an der Reihe. Sie werden so vom Zuschauer zum Mitspieler. Durch das Spiel bildet sich eine temporäre geschlechterheterogene Gemeinschaft zwischen den beiden Gruppen (vgl. ebd., S. 230). Das Verhalten von Gizem habt sich von dem Verhalten ihrer Peers ab. Sie hat weder die Rolle einer Zuschauerin noch die einer Mitspielerin eingenommen. Sie sitzt alleine an einem Doppeltisch und malt ein Mandala aus. Hier lässt sich noch ein weiterer sozialer Raum erkennen, der in der ersten Beschreibung nicht beobachtet werden konnte. Der soziale Ort der„Für-Sich-Welt“ (vgl. Bennewitz und Meier, 2010, S. 102). Gizem weist keine Interaktion mit ihren Peers auf und es scheint, als würde sie das auch nicht anstreben. Als Anna sich neben Gizem setzt, lächelt sie diese nur kurz an und widmet sich dann wieder ihrer eigenen Welt, dem Mandala. Es scheint, als sei Gizem kein Teil der Peerkultur innerhalb der Klassengemeinschaft. Es lässt sich nicht erkennen, warum das so sein sollte. Beobachtungen außerhalb dieser Arbeit haben allerdings gezeigt, das Gizem sehr wohl einen Platz innerhalb der Klassengemeinschaft hat, sich aber oft sehr ruhig und zurückhaltend verhält. Sie wirkt jedoch dennoch sehr zufrieden und glücklich. Ob sie sich nun in der von mir beobachteten Szene aus der Peergemeinschaft zurückzieht, weil sie vielleicht einen Streit mit ihren Freunden hatte oder einfach nur, weil sie die Pause zum Frühstücken nutzen möchte, lässt sich nicht sagen. Als die Klassenlehrerin kurz vorm Ende der Stunde in die Klasse kommt, schenken die meisten SuS ihr keine Aufmerksamkeit. Nur wenige Kinder der Spielgruppen schauen kurz auf und fahren danach direkt wieder unbeirrt fort. Es scheint so, als seien die meisten SuS in ihre besondere Welt des Spiels versunken, und als würden sie das Geschehen um sie herum kaum mehr wahrnehmen. Trotz dem Eintreten der Klassenlehrerin halten die Peers die Vorderbühne aufrecht und der institutionelle Kontext wird durch sie in der Zwischenzeit ausgeblendet. Es lässt vermuten, dass sie sich in einer Art Spielrausch befinden, der sie alles um sich herum vergessen lässt (vgl. Tervooren, 2001, S. 247). Dieser Spielrausch hält noch so lange an, bis die Klassenlehrerin die SuS daran erinnert, langsam zum Ende der Frühstückspause zu kommen. Gefrühstückt hat in dieser Pause kaum jemand, die meisten Brotdosen sind noch gefüllt, als die SuS diese wieder zurück in ihre Schulranzen räumen. Pia läuft durch die Klasse und sammelt ihre Pop Its wieder ein. Ihre Mitschüler/innen geben ihr diese unaufgefordert zurück. Was zeigt, dass die SuS sehr wahrscheinlich wissen, dass die Pop Its Eigentum von Pia sind. Mit dem Pausengong und dem Wegpacken der letzten Spielzeuge beginnt die Klassenlehrerin den Unterricht.

6. Fazit

In meiner Arbeit lassen sich viele peerkulturellen Handlungen beobachten. Ich habe mit meinen Beobachtungen versucht, einen groben Überblick über das Feld Peerkultur in der Schule zu schaffen. Während meiner Analysen haben sich mit der Zeit vier spezifische Analysekategorien, soziale Räume, kindliche Selbstdarstellung, Spielkultur und Geschlecht, entwickelt. Diese habe ich in meiner Aufgabe als Ethnographin aus den Beobachtungen ausgewählt. Die Auswahl schließen selbstverständlich andere Analysekategorien nicht aus, diese bleiben allerdings erst einmal nur durch meinen individuellen Blick auf das Feld unberücksichtigt. In der Analyse zur ersten Beobachtung stachen vor allem die sozialen Räume und die kindliche Selbstdarstellung durch die Szene mit Lukas heraus. Innerhalb meiner Beobachtungen ließen sich verschiedene Typen von sozialen Räumen erkennen. Angelehnt an die sieben von Bennewitz und Meier vorgeschlagenen sozialen Orte Für-Sich-Welt, Nahraum, Kleinwelt, Bühne, Publikum, Begegnungen und Fernraum, konnte ich in meinen Beobachtungen fünf eindeutig identifizieren (vgl. Bennewitz und Meier, 2010, S. 105). Das Soziale Miteinander innerhalb der Klasse ist geprägt durch Begegnung und dem Rückzug der handelnden Peers also einer Herstellung von Nähe und Distanz zwischen den Mitschüler/innen. Dabei entstehen innerhalb der Frühstückspause, durch Interaktionen der Peers untereinander, stets soziale Orte. In meiner Arbeit ließen sich dabei die folgenden fünf sozialen Orte, Für- Sich-Welt, Bühne, Publikum, Begegnungen und Fernraum, eindeutig erkennen. In der ersten Beobachtung ließ sich zudem noch das typische Peerverhalten der kindlichen Selbstdarstellung erkennen. In der Szene sucht Lukas vermutlich nach sozialer Anerkennung bei seinen Peers, in dem er von seiner bedeutenden Rolle im Fußballspiel in der Pause berichtet. In der zweiten Beschreibung ließ sich vor allem die Spielkultur der Peers und dabei ihr Umgang mit dem andern Geschlecht beobachten. Es war gut zu erkenne, dass die Frühstückspause nicht nur zum Frühstücken, sondern gleichermaßen auch zum Spielen und zum Austausch unter den Peers genutzt wurde. Die Frühstückspause gibt den SuS Zeit zum frühstücken und sich von den ersten beiden Unterrichtsstunden zu erholen. Sie ermöglicht es den SuS aber auch, sich ein Stück weit alleine mit den eigenen Vorlieben zu beschäftigen. Dabei gibt das Spielzeug Pop It einen kleinen Einblick in eine Kinderkultur und zeigt, dass sich diese Kultur noch einmal stark von der eines Erwachsenen unterscheidet. Durch den konjunktiven Erfahrungsraum der Peers schafft das Spielzeug Pop It eine Gemeinsamkeit innerhalb der Klassengemeinschaft und sorgt dafür, dass sich temporäre Spielgemeinschaften bilden, in denen sich sogar geschlechterhomogene Gruppen auflösten und das Spielen mit dem andern Geschlecht akzeptiert wird. Alles in allem lässt sich in meinen Beobachtungen erkennen, dass Schule als Institution nicht nur aus Unterricht, sondern gleichermaßen aus Aktionen zwischen den Kindern besteht. Innerhalb des Klassenverbands kommen die SuS mit Peers in Kontakt, tauschen sich aus und halten ihre Peerkultur aufrecht. Innerhalb der Frühstückspause ereignet sich die alltägliche, schulische Kinder- und Jugendkultur. Sie tauschen sich über peerkulturelle Ereignisse aus und lassen die Institution Schule, durch peerkulturelle Interaktionen, in den Hintergrund rücken. Im weiteren Verlauf der Forschung wäre es interessant, zu untersuchen, wie peerkulturelle Handlungen im Unterricht ablaufen und wie diese den Unterricht beeinflussen. Dafür wäre eine Verschiebung der Beobachtung von der Pause in den Unterricht notwendig.

Literaturverzeichnis

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